Geschäft ist Geschäft

Bild: palinchak I Depositphotos
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Auf António Guterres ist Verlass. Der Uno-Generalsekretär hält das Thema Klimaschutz zuverlässig in den Schlagzeilen. Letzte Woche redete er in New York den führenden Industrienationen mit deutlichen Worten ins Gewissen. Im Anlauf zum nächsten Klimagipfel in Ägypten, griff er an: «Um es klar zu sagen: Die kollektiven Verpflichtungen der G20-Regierungen sind viel zu klein und kommen viel zu spät.» Kann sein, dass er damit auch einen der Hauptsponsoren der Weltklimakonferenz im Hinterkopf hatte, den weltweit grössten Plastikverschmutzer, Coca Cola.

Rund 200 Staaten werden sich vom 6. bis 18. November im ägyptischen Scharm El-Scheich zum COP27 treffen, um darüber zu beraten, wie die Klimakrise überhaupt noch gestoppt werden könnte. Vorbereitend dazu fanden letzte Woche in New York informelle Gespräche mit rund 50 Länderdelegierten statt. 

 

Guterres klagte, dass der Klimaschutz ins Stocken geraten sei, während das Klimachaos voranschreite. «Ein Drittel Pakistans überflutet. Europas heissester Sommer in 500 Jahren. Die Philippinen betroffen. Ganz Kuba ohne Strom.» In seiner Predigt nahm er auch den Hurrikan «Ian» mit, der in den Vereinigten Staaten «auf brutale Weise daran erinnert, dass kein Land und keine Wirtschaft vor der Klimakrise gefeit ist».

 

Der Uno-Generalsekretär ist, neben der Klimajugend, die sich wieder vermehrt mit Aktionen und Protesten bemerkbar macht, der lautstärkste Warner, wenn es ums Klima geht. Die Anstrengungen gegen die Erderwärmung nannte er einen «Kampf um Leben und Tod für unsere Sicherheit heute und unser Überleben morgen». Es sei ein «moralischer Imperativ».

 

Guterres geht es insbesondere darum, dass am COP27 über «Verluste und Schäden» gesprochen werde. Im Klartext heisst das wohl, dass die Hauptverursacherinnen der Krise, die Industrienationen, Verantwortung übernehmen und wesentlich tiefer in die Taschen greifen, um ärmere Staaten dabei zu unterstützen, die Folgen der überbordenden CO2-Emissionen abzufedern.

 

Kann ja sein, dass es eine Überraschung gibt, und die reichen Länder tatsächlich dazu stehen, was sie seit Jahrzehnten angerichtet haben. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Wahrscheinlicher wird sein, dass sie sich auf die aktuellen Krisen berufen: Energieknappheit, Krieg in der Ukraine, galoppierende Inflation ... Alles kostet Geld, Geld, Geld. Da bleibt für den Klimaschutz nicht mehr viel übrig.

 

Kommt dazu, dass etliche Industrienationen im Zug der Energiekrise bereit sind, ihre eigenen Klimaschutzpläne aufzuweichen, um nicht zu sagen, ganz über Bord zu werfen. Kohle, die doch noch länger abgebaut und verfeuert werden soll. Gaskraftwerke zur Überbrückung bis sich die Lage bessert. Laufzeitverlängerungen maroder Atomreaktoren. Alles geht, die Tabus fallen reihenweise. Immer mit dem Zusatz «zeitlich begrenzt» natürlich. Wobei alle wissen, dass dieser Zusatz so gut wie nichts bedeutet.

 

Auf einem Treffen der Afrikanischen Union Mitte Juni verabschiedeten Energieminister ein internes Papier, das das Nachrichtenmagazin «Spiegel» öffentlich machte. Darin hiess es etwa: «Kurz- bis mittelfristig werden fossile Brennstoffe, insbesondere Erdgas eine entscheidende Rolle bei der Ausweitung des Zugangs zu moderner Energie spielen müssen.»

 

Es geht nicht nur darum, dass sich Entwicklungs- und Schwellenländer ausbedingen, dass jetzt sie dran sind mit dem Verschmutzen der Atmosphäre. Die Industrieländer spielen hier munter mit, etwa indem sie neue Öl- und Gasförderprojekte finanzieren. Der französische Mineralölkonzern Total will die East African Crude Oil Pipeline mitfinanzieren, die längste beheizte Rohölpipeline der Welt, um die geschätzten 6,5 Milliarden Barrel Öl, die unter dem zentralafrikanischen Albertsee ruhen, bis an die Küste des Indischen Ozeans zu transportieren.

 

Geplant ist zudem eine Erdgaspipeline durch die Sahara, und im Kongo werden munter Öl- und Gaskonzessionen versteigert. Und bei allen Projekten mischen Industrienationen als Geldgeberin mit. Das steht in direktem Widerspruch zu den Zusagen dieser Nationen am letzten Klimagipfel in Glasgow.

 

Ein weiteres wunderbares Beispiel für unser Lieblingszitat: «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern ...» Da kann António Guterres warnen und wettern, wie er will. Wenn es ums Geschäft geht, gehen alle Hemmungen verloren.

Christa Dettwiler