«Bitte nicht unterschreiben.»

Photo: NOAA on Unsplash
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Im Titel spielen wir auf das Referendum zum neuen CO2-Gesetz an. Denn dass das Referendum ergriffen werden wird, war abzusehen. Überraschend ist einzig, wer sich mit wem ins Boot gesetzt hat, um eine Volksabstimmung – und damit ein mögliches Scheitern an der Urne – zu erzwingen. Da finden sich Teile der Klimajugend Seite an Seite mit der SVP, der Erdöl- und Autobranche.

Man reibt sich die Augen und wird an frühere, sogenannte unheilige Allianzen erinnert. Allianzen von Gruppen, die im Grunde ihres Herzens einander diametral entgegengesetzte Interessen vertreten. So liessen etwa die Neuenburger Klimastreikenden, die das Referendum mittragen, verlauten, man distanziere sich klar von wirtschaftlichen Lobbys und der SVP. Nur, wie soll das gehen? Die Unterschriften auf den Sammelbögen unterscheiden nicht nach Interesse.

 

Nicht überraschend hat das Vorpreschen der Klimastreikenden einigen Zoff ausgelöst. Vor allem, als Franziska Meinherz von der Klimastreik-Regionalgruppe Waadt in den Medien eine Breitseite abfeuerte: «Das Gesetz, das Grüne und SP feiern, sehen wir als Verrat. Die grüne Welle ist nicht mal ein Tropfen auf den heissen Stein.»

 

SP-Nationalrat Roger Nordmann, ein vehementer Verfechter der Solarenergie und des Klimaschutzes, fühlte sich offenbar angesprochen. Via Twitter bittet er die Öffentlichkeit, «das Referendum der Westschweizer Sektionen des Klimastreiks gegen das CO2-Gesetz nicht zu unterschreiben.» Einen wichtigen Schritt nach vorne zu bekämpfen, weil man einen noch grösseren Schritt machen wolle, sei ein «historischer Fehler».

 

Auch der renommierte Klimawissenschaftler Reto Knutti findet klare Worte: «Das CO2-Gesetz reicht noch nicht, aber mit dem Referendum riskieren Teile der Klimastreik-Bewegung den totalen Scherbenhaufen. Das Schlimmste ist, nichts zu beschliessen.»

 

Knutti hat sich die Mühe gemacht, das Positionspapier der SVP zum Referendum einem Faktencheck zu unterziehen und hat «irreführende Zahlen» und «falsche Interpretationen» ausgemacht. So behauptet die SVP etwa, der CO2-Ausstoss sinke seit über 10 Jahren «markant und kontinuierlich», weitere Massnahmen seien deshalb unnötig. Falsch, sagt der ETH-Professor. Das Ziel sei gewesen, bis 2020 die Emissionen um 20 % zu senken. Ein Ziel, das laut Bundesamt für Umwelt verfehlt wird. Dass der Pro-Kopf-Ausstoss von CO2 gesunken sei, wie die SVP anführt, sei zwar korrekt, erklärt Knutti, aber irrelevant. Denn massgebend für das Klima sei der Gesamtausstoss.

 

Die Klima-Allianz Schweiz, die über 90 Organisationen der Zivilgesellschaft vertritt – darunter auch Solarspar –, steht hinter dem CO2-Gesetz. In ihrer Medienmitteilung gibt sie sich kämpferisch. Sie werde «sich im Abstimmungskampf entschieden für diese längst fällige Weichenstellung in der Klimapolitik engagieren. Das Gesetz ist das Produkt eines langen parlamentarischen Prozesses mit breitem Konsens.»

 

«Im Falle einer Annahme dieses Erdöl-Referendums, wäre die Schweizer Klimapolitik für mehrere Jahre komplett blockiert», sagt Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz, und fügt an: «Die Autoverkäufer und die Ölindustrie, in deren Verbänden die SVP stark vertreten ist, verstecken ihre eigenen Wirtschaftsinteressen hinter vermeintlich negativen Auswirkungen auf den Mittelstand.» Das neue CO2-Gesetz lege wichtige und sozialverträgliche Massnahmen für Sektoren fest, die bisher gar keine Massnahmen hatten, wie die Luftfahrt und der Finanzplatz. 

 

Allerdings erachtet die Klima-Allianz das CO2-Gesetz auch nur als einen ersten Schritt. Für einen wirksamen Klimaschutz brauche es mehr. 

 

Dass die Klimajugend mit einem traditionell helvetischen Kompromiss nicht zufrieden ist, ist nachzuvollziehen. Sie verlangen einen grossen Sprung nach vorne, nicht bloss einen kleinen Hüpfer. Und damit haben sie angesichts der Dringlichkeit und Grösse des Themas natürlich recht. Aber sollte das CO2-Gesetz tatsächlich in einer Volksabstimmung scheitern, wäre Stillstand die Folge. Und das will höchstens die andere Fraktion im gleichen Boot. 

 

Christa Dettwiler 


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