Verschiedene Wege. Ein Ziel.

Parlament in der Sommerpause
Bild: Hansjörg Keller auf Unsplash

Während das Parlament die Sommerferien geniesst, spürt die eine oder der andere, dass es vielleicht doch eher ungewöhnlich warm geworden ist unter dem Sonnenschirm. Vielleicht machen sich die Damen und Herren am Strand oder in den Bergen auch ein paar Gedanken zur kommende Herbstsession, wenn sie sich mit der Umsetzung des Klimaschutzgesetzes befassen müssen. Das Ziel ist klar: Netto Null CO2-Emissionen bis 2050. D.h., es bleiben 27 Jahre, um dorthin zu kommen. Das scheint viel Zeit, und es wird ein ganz anderes Parlament sein, das zum Endspurt ansetzt.

Dennoch: Die Zeit drängt. Schon viel zu viel Zeit ist mit Diskussionen und Debatten, Graben- und Glaubenskriegen verplempert worden. Die Energiewende ist ein Generationenprojekt, eigentlich, muss aber in weniger als 30 Jahren vollzogen sein. Der Tages-Anzeiger hat kürzlich eine Auslegeordnung gemacht unter dem Titel «So kann die Schweiz die Energiewende schaffen» und die wichtigsten Modelle verglichen. Die Vorgabe ist nicht kompliziert: Weil keine fossilen Brennstoffe mehr verbrannt werden dürfen, muss der grösste Teil der Energieversorgung elektrifiziert werden. Weil die Bevölkerung 2017 dem Neubau von AKW eine Absage erteilt hat, muss der Strom entweder importiert oder aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden.

 

Szenario 1 geht vom aktuellen Ausbautempo der erneuerbaren Energien aus. Das Adjektiv dazu: schleppend. Sonnenenergie bewegt sich mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 475 Megawatt neue Leistung pro Jahr voran. Auch die Windanlagen sind gemächlich unterwegs – mit 20 MW/Jahr. Wasserkraft wird sogar rückläufig sein bis 2050, aufgrund verschärfter Gesetze für Restwassermengen. Und Mitte der 2030er Jahre wird voraussichtlich das letzte AKW vom Netz gehen. Fazit: Bei diesem Szenario müssten bei einem Verbrauch 2050 von 82 Terawattstunden etwa 28 TWh importiert werden. 

 

Szenario 2 betrachtet die Energieperspektiven 2050+: Die letzte Aktualisierung der Energieperspektiven, an denen der Bund seit Mitte der 1970er Jahre werkelt,  ist zwei Jahre alt. Strom stammt vor allem aus Wasser- und Sonnenkraft. Die Speicherkapazität für Wasser soll um 10 Prozent zunehmen bis 2050. Die Sonne soll 35 TWh beisteuern. Das ist sehr ambitioniert, wenn man weiss, dass der Anteil Solarstrom 2020 3,7 Prozent betrug. Doch auch beim Bund stirbt die Hoffnung zuletzt, glaubt er doch daran, dass dank Effizienzmassnahmen der Strombedarf pro Kopf sinken wird. 

 

Szenario 3 stammt von der Axpo. Sie rechnet mit einem Solarstrombedarf von 38 TWh bis 2050, dazu braucht es nicht nur Hausdächer, sondern auch Freiflächenanlagen im Mittelland und in den Alpen. Der Wind soll 3 TWh beisteuern, dazu bräuchte es vereinfachte Bewilligungsverfahren. Bei der Wasserkraft rechnet der Energieversorger mit demselben Niveau wie heute. Ergänzend kommen Wasserstoff und synthetische Gase dazu, die in eventuell notwendigen Gaskraftwerken eingesetzt werden. 

 

Szenario 4 basiert auf dem Modell von Swissolar: Bis 2050 könnten 46 TWh aus Photovoltaik-Anlagen stammen. Dazu müssten zwei Drittel aller geeigneten Dächer und Fassaden zu Kraftwerken umgebaut werden. Rund 3 TWh sollen Freilandanlagen in den Alpen liefern. D.h. der aktuelle Zubau müsste bis 2030 jährlich verdreifacht werden. Der Fachverband rechnet bei einem beschleunigten Ausbau damit, dass die AKW bereits ab 2035 vollständig ersetzt würden. Dazu setzt Swissolar ebenfalls auf Wasserstoff für die Übergangszeit, auf Batterien und auf Pumpspeicher. 

 

Szenario 5 hat GLP-Nationalrat und Energieunternehmer Jürg Grossen beigesteuert. Auch er setzt die Priorität beim Energiesparen. Um 40 Prozent soll die Effizienz gesteigert werden. Intelligente Haustechnik und effizientere Geräte sollen es richten. Auch er rechnet mit rund 40 TWh Solarstrom. Batterien von E-Autos sollen dabei, wie beim Swissolar-Szenario, künftig als Speicher dienen. Ein massiver Ausbau des Smart Grid, der Stromproduktion und -nachfrage effizient managt, 17 TWh aus Wasserstoff, unter anderem auch als chemischer Speicher von Solarstrom sowie eine AKW-Laufzeit von 60 Jahren komplettieren seine Berechnungen. 

 

Es führen also viele Wege zur erfolgreichen Energiewende. Und das feriengestärkte Parlament täte gut daran, sich nicht in weitere Grabenkämpfe zu verwickeln, sondern pragmatische Lösungen für ein gewaltiges Problem zu finden. Die Crux ist, dass wohl niemand, der heute im Parlament wertvolle Zeit verschwendet, 2050 noch immer dort sitzen wird. Und es gilt halt nach wie vor für viele kleine und grosse Machthaber der Spruch: Nach mir die Sintflut.

Christa Dettwiler