Solare Kreislaufwirtschaft

Solarmodule der ersten Generation aus den 80er-Jahren im Tessin installiert.

 

2022 war ein Boom-Jahr für Solaranlagen in der Schweiz. Nie zuvor wurden so viele neue Anlagen in Betrieb genommen. Fast 60 Prozent betrug der Zuwachs. Ähnliches gilt für den Rest der Welt. Doch wo viel Neues entsteht, fällt in Zukunft auch viel Altes an. Ein neue Schweizer Partnerschaft denkt voraus und will die Kreisläufe in der Solarindustrie schliessen, Ressourcen schonen und Module, die sonst ausgemustert würden, zur Weiterverwendung aufbereiten.

Zwar haben PV-Anlagen eine relativ lange Lebensdauer, doch irgendwann fällt die Leistung ab, die Module werden abgebaut und erneuert. Oder aber ältere Modelle müssen Modulen der neusten Generation mit besserer Effizienz weichen. Vieles – rund 75 Prozent der verwendeten Materialien – kann rezykliert werden. Manches aber könnte durchaus auch weiterverwendet werden. Dafür haben die Stiftung SENS eRecycling, der Dachverband Swissolar, die Berner Fachhochschule und weiter Partner das Projekt Swiss PV Circle ins Leben gerufen. Rund die Hälfte der nach 20 bis 25 Jahren Betrieb ausrangierten Solarmodule liessen sich nämlich weiterverwenden, als Secondhand-Module sozusagen. Denn Module verlieren pro Jahr nur rund 0,5 Prozent Leistung. Das heisst, auch nach 20 Jahren liegt die Leistung noch bei 90 Prozent. Dennoch werden die meisten dann ausgemustert.

Das Projekt Swiss PV Circle will nun Geschäftsmodelle entwickeln, wie ausgediente, aber immer noch leistungsfähige Module anstatt im Recycling zu landen, weiter verwendet werden können. Es entwickelt eine Plattform, die die notwendigen Daten sammelt, um möglichst frühzeitig eine Kreislaufstrategie zu entwerfen. So sollen nicht einfach alte Module einer Weiterverwendung zugeführt, sondern mit einem standardisierten Testverfahren auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. So geprüfte Module können anschliessend zu günstigen Preisen angeboten werden. Die durchgefallenen Module landen im Recycling.

Das Projekt kann sich auf namhafte Partner aus der Solarbranche stützen, darunter auch auf Herstellung und Recycling spezialisierte Unternehmen. Unterstützung bietet auch das Bundesamt für Energie mit einer Teilfinanzierung.  

Letzte Woche stellte Sens E-Recycling die sieben Arbeitspakete vor, die das Projekt ausmachen:

  1. Basis ist die zentrale Datenbank, in der alles Wesentliche über die in der Schweiz eingesetzten Module gesammelt und beteiligten Partnern zur Verfügung gestellt werden.
  2. Entwicklung von Geschäftsmodellen für die Wiederverwendung inklusive Machbarkeit, Rentabilität und Nachhaltigkeit. Auch soll ein neues Label für die Zweitnutzung entworfen werden.
  3. Quantitative Voraussagen zum Volumen der anfallenden Module erarbeiten.
  4. Dieses Arbeitspaket umfasst die Modulverfolgung entlang deren Lebenszyklus.
  5. Möglichkeiten für einen rentablen Wiederverkauf.
  6. Politische und rechtliche Rahmenbedingungen.
  7. Verbreitung der Erkenntnisse aus dem Projekt Swiss PV Circle.

Ässia Boukhatmi, die für die Berner Fachhochschule am Projekt beteiligt ist, spricht die Gründe für ihr Mitmachen an: "Der Zuwachs neuer PV-Installationen führt gleichzeitig zu grossen Herausforderungen bei der Bewältigung der zunehmenden Mengen ausrangierter PV-Module, die am Ende ihres ersten Lebenszyklus in den Abfallstrom gelangen. Prognosen zufolge wird die Menge der erzeugten PV-Abfälle in der Schweiz weiter stark ansteigen. Bis zu 50 % dieser Module wären noch für eine zweite Nutzung geeignet, werden jedoch aber oft durch eine unsachgemässe Handhabung nach der Demontage beschädigt oder nicht ausreichend geprüft, um sich für einen weiteren Lebenszyklus zu qualifizieren."

Um die Photovoltaik in der Schweiz möglichst nachhaltig zu gestalten, rät sie Anlagenbesitzern bei Schäden, etwa durch Hagel, nur einzelne Module und nicht das ganze System austauschen zu lassen: "So werden unnötige PV-Abfälle vermieden und die Systeme möglichst effizient genutzt."

Wie gewaltig die Welle an alten PV-Modulen sein wird, hat die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) geschätzt. Weltweit rechnet sie bis 2030 mit 1,7 Millionen Tonnen, 20 Jahre später sollen es schon 60 Millionen Tonnen sein. Dass sich daraus aber auch wieder Rohstoffe gewinnen lassen, hat die IRENA ebenfalls untersucht: Die technisch verwertbaren Rohstoffe aus PV-Modulen sollen bis 2050 einen Wert von 15 Milliarden US-Dollar erreichen. Noch besser als Recycling aber ist die Weiterverwendung.