Solaranlagen für ein Spital im Westen der Ukraine
Der russische Angriffskrieg nimmt die Energieinfrastruktur der Ukraine unter Beschuss. Viele Menschen müssen in Blackouts ausharren, auch in Notunterkünften, Spitälern und Schulen. Mit mobilen Energiespeichern setzt sich die NGO Ukraine2Power (U2P) für die überlebenswichtige Stromversorgung ein. Mit der Unterstützung von Solarspar errichtet sie erstmals eine PV-Anlage, um den Betrieb eines Spitals sicherzustellen.
Ukraine2Power ist eine ukrainische NGO, die Solarenergie- und mobile Stromlösungen für kritische Infrastruktureinrichtungen in der Ukraine bereitstellt. Gegründet 2022 von Dr. Thomas Gnefkow und
Nataliia Fiebrig, hat die Organisation bereits über 70 mobile Stromsysteme an Krankenhäuser, Schulen und Notunterkünfte geliefert.
In Roschnjatiw im Westen der Ukraine ist die Front weit weg. Etwa so weit wie Zürich. Die Gegend gilt als relativ sicher, weshalb sich die Aufmerksamkeit kaum auf die etwa 4000 Einwohnende zählende städtische Siedlung richtet. Aber die Folgen des Kriegs, etwa Stromausfälle, sind auch in Roschnjatiw zu spüren. In dieser benachteiligten Region realisiert die auf unabhängige Energiesysteme spezialisierte NGO Ukraine2Power (U2P) ihr erstes Solarprojekt. Auf dem Dach des Spitals soll eine PV-Anlage einen zuverlässigen Betrieb möglich machen.
Bis anhin liefert U2P mobile Energiespeicher aus Deutschland in die Ukraine. Deren Bauweise und Handhabung ist einfach: Aus gebrauchten E-Auto-Batterien werden Akkus hergestellt und auf Räder gebaut. Sie sind leicht und beweglich – es sind auch meist Frauen, die damit umgehen; die Männer sind in der Armee.
Mit diesen Akkus hat U2P dank Spenden kostenlosen Notstrom für bis zu hundert Einrichtungen geliefert, mehrheitlich Spitäler, aber auch Notunterkünfte, Schulen sowie für Reparaturteams. Das kam Zehntausenden Patienten und Hunderten Kindergärtnerinnen und Schülern zugute. Licht, Heizung, Handys, Energie zum Kochen – fällt das zentrale Stromnetz aus, funktioniert vieles nur mit alternativen Lösungen. In Krankenhäusern werden Operationen dank dieser mobilen Stromspeicher durchgeführt.
So gross ihre Wirkung ist: «Diese Energiespeicher sind kleine Backup-Systeme, die etwa drei bis fünf Kilowatt Energie abgeben können», sagt Nataliia Fiebrig, CEO, Mitgründerin und Botschafterin von U2P. Vor zwanzig Jahren ist die Journalistin aus Kiew nach Berlin gekommen und hat sich später der Nonprofit-Organisation We Aid angeschlossen. Als Projektleiterin half sie bei We Aid mit, diese unabhängigen Energiesysteme für die Ukraine zu beschaffen, vor Ort zu bringen und mit den Nutzenden Lösungen für ihre spezifischen Bedürfnisse zu finden.
Je länger der Krieg dauerte, desto klarer wurde, dass es nicht reichen würde, zerstörte Energiesysteme wieder aufzubauen. «Oder anders gesagt: not build back, but build forward», erklärt Nataliia Fiebrig: nicht nur wieder aufbauen, sondern neue, nachhaltige Systeme entwickeln, die im Einklang mit den Umweltzielen der EU stehen. Aus der We-Aid-Initiative entwickelten deren Begründer Thomas Gnefkow und sie 2023 die unabhängige NGO Ukraine2Power.
Für eine leistungsfähigere und dauerhaftere Stromversorgung, als sie die mobilen Akkus erbringen können, setzt die NGO nun erstmals auf eine Photovoltaik-Anlage. Diese seien kleiner als grosse, zentrale Kraftwerke, deshalb weniger angreifbar und schneller repariert, erklärt Nataliia Fiebrig. Einmal erstellt, soll die Solaranlage in Roschnjatiw auch Anreize für andere schaffen. Denn, wie auch andere Beobachter feststellen, der Bedarf an und das Potenzial für Sonnen- und Windenergie ist riesig.
Solarenergie stösst auch deshalb auf grosses Interesse, weil derzeit viele umdenken, sagt Nataliia Fiebrig. Es finde gerade «eine Revolution in den Köpfen» statt – weg von der wie in Sowjetzeiten selbstverständlichen, später subventionierten Energieversorgung, hin zum Bewusstsein, dass dies eigentlich ein wirtschaftlicher Sektor ist. Heute komme hinzu, dass Strom in der Ukraine auch und in erster Linie Sicherheit bedeute. «Im Krieg ist Energie überlebenswichtig», sagt sie.
Die Vorteile von Solaranlagen für die Ukraine sind auch für Solarspar-Vorstand Andreas Dreisiebner offensichtlich. Anlässlich der Energy Week an einer UN-Konferenz der Internationalen Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) wurde er auf U2P aufmerksam und engagierte sich für eine Zusammenarbeit. «Solche kleineren Projekte sind unsere Expertise bei Solarspar. Wir nutzen die Infrastruktur vor Ort und stellen den Transfer von Know-how sicher. Wir initiieren die Projekte und übergeben sie den Nutzenden.»
Das Spital in Roschnjatiw hat bereits eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, beteiligt sich am Fundraising und ist seinerseits bereit zu investieren. Mit der technischen und fachlichen Unterstützung von Solarspar wird nun geprüft, ob sich vertikal aufgeständerte Module, die auch bei Schneefall Strom produzieren, auf den Blechschindeln des Dachs anbringen lassen. 50'000 kWh pro Jahr soll die Anlage produzieren und Strom für Licht und Geräte in der Chirurgie, dem Geburtshaus, und in anderen Abteilungen liefern.
Mit einem festen Team von zehn Personen und weiteren Partnern ist U2P bei ihren Projekten vor Ort. Auch Nataliia Fiebrig reist regelmässig in die Ukraine. Wie kann man dort heute arbeiten? «Unser Team ist unglaublich zuverlässig. Die Leute arbeiten, als wenn nichts wäre», erzählt sie. Wenn sie jedoch in Deutschland morgens um drei Uhr Mails bekomme, werde sie daran erinnert, dass man in der Ukraine oft in der Nacht leben müsse, sei es kochen, die Haare waschen – und arbeiten. «Hier in Berlin schlafe ich ohne Luftalarm. Das ist schon toll.»
Solarspar-Magazin 2025/02, Nina Toepfer