Treib.Haus.Voll.Gas

Klimawandel kostet

 

Netto null. Damit es nicht noch wärmer wird. Netto null. Das heisst, keine Treibhausgase mehr, weder über noch unter dem Strich. Krass. Wie soll es der Welt gelingen, von 100 auf 0 abzubremsen, nachdem sie jahrzehntelang Vollgas gegeben hat? Volltreibhausgas.  

Damit haben wir die Erde um gut ein Grad erwärmt. 1,5 Grad lägen gerade noch drin, meint die Wissenschaft. Der Schweizer Bundesrat hat sich ein Herz gefasst und netto null bis 2050 als Ziel vorgegeben. Das heisst, für jede Tonne CO2, die in die Luft geht, muss eine Tonne aus der Umgebung verschwinden. Je näher wir der Deadline kommen, desto enger wird’s. Und die Schweiz hinkt jetzt schon hinterher: Im Verkehr wurde bislang so gut wie gar nichts erreicht, die Emissionen für Güter und Dienstleistungen, die im Ausland für uns produziert oder erbracht werden, haben zugenommen, der Finanzsektor finanziert unverfroren weltweit übelste Treibhausgasverursacher. Stichwort Credit Suisse / Saudi Aramco. Aber eben, das zählt ja nicht für das Inlandreibhausgas.  

 

ProClim-Präsident Reto Knutti rechnet in der NZZ vor: «Die bisher erreichte Reduktion von 12 Prozent über einen Zeitraum von 27 Jahren ist sehr bescheiden. In etwa der gleichen Zeitspanne muss die Schweiz gemäss Zielen des Bundesrates bei netto null sein.» 

 

Ein wesentlicher Beitrag zu netto null muss der Energiesektor leisten. Strom wird ein Grossteil der erdölbasierten Treib- und Brennstoffe ersetzen müssen. Wir reden hier von ungefähr drei Vierteln unseres Energiebedarfs, die zurzeit aus fossilen Quellen gedeckt werden.

 

Die Sonne scheint, der Wind weht, das Wasser fliesst. Der menschliche Erfindergeist kann aus allen dreien Strom machen. Allein die Sonne liefert uns so viel Energie, dass wir locker ein Dutzend Planeten betreiben könnten. Allerdings lässt sich nur gut ein Fünftel dieser Energie in Strom umwandeln. Zudem können wir auch nicht den ganzen Planeten in eine gigantische PV-Anlage verwandeln. Dennoch: Würde nur ein Bruchteil der weltweit geeigneten Flächen für die Produktion von Solarstrom genutzt, reichte das dicke. 

 

Heute tragen erneuerbare Energien gerade mal ein Fünftel zum weltweiten Energiemix bei. Solarenergie ist dabei vernachlässigbar. Dabei ist der Zuwachs in den letzten 20 Jahren bemerkenswert: + 41.7 Prozent. Laut Weltklimarat würde es reichen, wenn bis 2050 rund zwei Drittel des Gesamtenergiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt würde. Dafür würde bei Wind- und Sonnenkraft sogar eine weniger als halb so grosse Wachstumsrate wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten genügen. 

 

Auch an den Kosten sollte der Zuwachs nicht scheitern: Seit den späten 1970er Jahren sind Sonnenkollektoren über hundertmal günstiger geworden. In den USA kostet Solarstrom im Schnitt weniger als Kohle- und Erdgasstrom. Und das ganz ohne Subventionen. In der Schweiz ist es mittlerweile möglich, Solarstrom günstiger anzubieten als das Standardprodukt der meisten Energieversorger. Und es wird noch besser: Die Weltbank, Bloomberg und die Internationale Organisation für erneuerbare Energien rechnen in einem neuen Bericht vor, dass sich der Preis von 

Windstrom bis 2050 nochmals halbieren wird. Auch Solarstrom wird mit grösserem Zubau noch günstiger.

 

Das Thema könnte eigentlich ad acta gelegt werden. Wäre da nicht die Frage der Aufbewahrung von Sonnen- und Windstrom. Schliesslich fällt der Strom je nach Tageszeit und Wetter an. Effiziente Energiespeicher müssen her. In der Schweiz sind wir in der glücklichen Lage, über Stauseen zu verfügen. Sie sind ausgezeichnete Aufbewahrungsorte für Energie.

 

Künftig kommen aber Batterien eine grössere Bedeutung zu. Die Technologie dafür ist vorhanden. Die Preise fallen: seit 2010 um 85 Prozent. Bis 2030 sollen Batteriekapazitäten noch einmal um zwei Drittel billiger werden. 

 

Technisch ist die Versorgung der Welt mit erneuerbarer Energie machbar. Darüber sind sich die Fachleute einig. Der Weg dahin ist weder weit noch schwierig. Allerdings sollten wir uns schleunigst dazu entscheiden, ihn zu gehen. 

 

Christa Dettwiler 

Der Beitrag «Wohin der Wind weht» von Arian Bastani im  Online-Magazin Republik gibt einen spannenden Überblick zu Erneuerbaren Energien (mit Abo):