Quartier-Strommarkt Walenstadt

Quartierstrom-Projekt in Walenstadt
Foto: Wasser- und Elektrizitätswerk Walenstadt (WEW)

Die Schlagzeile der Luzerner Zeitung war vielleicht etwas gar optimistisch. «Strombarone erhalten zunehmend Konkurrenz», proklamierte sie. Konkurrenz von Leuten, die ihren eigenen Strom erzeugen. Nun, die Barone können sich wohl noch mehr als einmal unbesorgt in ihren Betten umdrehen. Doch die Konkurrenz schläft nicht mehr so tief. Vor allem in Walenstadt. 

Dort ist kürzlich das «Quartierstrom»-Pilotprojekt der ETH Zürich abgeschlossen worden. Es basiert auf einer einfachen und einleuchtenden Idee: 37 Haushalte produzieren oder handeln mit ihrem eigenen Solarstrom in einer kleinen Solarstrombörse. Der saubere Strom hat keinen fixen Preis. Der wird nämlich via Blockchain-Technologie im 15-Minuten-Takt festgelegt, bestimmt von Produzentinnen und Kunden, von Angebot und Nachfrage. 

 

Die ETH hat also mitten in Walenstadt einen Mini-Strommarkt etabliert. Die Initiantinnen sind überzeugt, dass der Stromaustausch unter Haushalten ein riesiges Potenzial hat, nicht zuletzt, weil das «Einspeisen ins Stromnetz immer komplizierter wird».

 

Standen zu Beginn Wirtschaft, Wissenschaft und Politik dem Experiment skeptisch gegenüber, scheint sich das Blatt jetzt gewendet zu haben. Der Zürcher Kantonsrat möchte jedenfalls ein vergleichbares Projekt anstossen. Sehr gut angekommen ist die Idee bei den Quartierbewohnerinnen selbst. 

 

Bis solche kleinräumigen Strommärkte aber Wirklichkeit werden können, wird die Sonne noch etliche Stunden auf die Dächer scheinen. Denn im Gesetz sind sie nicht vorgesehen. Vor allem auch, weil die Strombarone ihre Marktmacht nicht so einfach aus den Händen geben wollen. Von Rechts wegen darf Strom heute nur im gleichen Haushalt oder im angrenzenden Grundstück verbraucht werden.

 

Dazu kommt die komplizierte Abgeltung für die Nutzung des Stromnetzes. Man wartet deshalb gespannt auf die Eckwerte der Marktöffnung, die der Bundesrat im Frühling zu präsentieren gedenkt.

 

Die Auswertung des ETH-Pilotprojektes zeigt jedenfalls äusserst positive Resultate. Die Gemeinschaft verkaufte 27 Prozent mehr lokal produzierten Solarstrom vor Ort. Die 37 Haushalte versorgten sich zu einem Drittel mit eigenem Strom, ohne Lieferung des lokalen Energieversorgers, was eine Verdoppelung bedeutet.

 

Nicht überraschend ist ein weiteres Fazit: Quartierstrom-Bezügerinnen gingen sehr viel bewusster und sparsamer mit dem lokal produzierten Strom um. Es zeigt sich einmal mehr: Nichts geht über die persönliche Beziehung und die direkte Erfahrung.

Christa Dettwiler