Aus der Luft gegriffen

Foto © ETH Zürich / Alessandro Della Bella
Foto © ETH Zürich / Alessandro Della Bella

Menschen reagieren auf grosse Bedrohungen ganz unterschiedlich. Stecken die einen den Kopf in den Sand, werfen andere ihren Erfindergeist an. Zum Beispiel Forschende der ETH Zürich. Auf dem Dach des Maschinenlaboratoriums haben sie eine Mini-Raffinerie aufgebaut, die aus Luft und Sonne Treibstoff herstellt.

Was klingt wie ein guter Aprilscherz, ist ein hoch interessanter Ansatz, Treibstoff zu gewinnen, der nur so viel CO2 enthält, wie die Luft, aus der er gewonnen wird. Das Prinzip ist einfach: CO2 und Wasser werden direkt aus der Umgebungsluft abgeschieden und mit Solarenergie aufgespalten. Das Produkt ist «Syngas», eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, das zu Kerosin, Methanol oder anderen Kohlenwasserstoffen verarbeitet werden kann. 

Noch ist die Ausbeute der kleinen Versuchsanlage gering: Rund einen Deziliter Treibstoff gibt sie pro Tag her. Doch Aldo Steinfeld, Professor für Erneuerbare Energieträger an der ETH, und sein Team sind bereits daran, den Solarreaktor in Spanien in grossem Massstab zu testen. Eine Solaranlage von einem Quadratkilometer Fläche könnte pro Tag 20 000 Liter Kerosin produzieren. 

Auch in den USA sind Wissenschaftler am Werk, um die Energieproduktion auf neue Ebenen zu heben. Forschern an der Universität Massachusets Amherst ist es gelungen, Strom aus Luftfeuchtigkeit zu gewinnen. Auch das klingt wie ein guter Scherz.

Den Wissenschaftlern, die das Gerät „Air-Gen“ entwickelt haben, ist es allerdings sehr, sehr ernst. Der Elektroingenieur und Co-Autor der Studie, die in der Fachzeitschrift «Nature» publiziert wurde, Jun Yao, sagte: «Der Strom ist buchstäblich aus der Luft gegriffen.»

Der «Air-gen» enthält leitfähige Protein-Nanodrähte, die von Bakterien auf natürliche Weise erzeugt werden. Diese Drähte bilden einen weniger als zehn Mikrometer dicken Film. Mit diesem Film sind wiederum Elektroden so verbunden, dass aus dem in der Atmosphäre gebundenen Wasserdampf Elektrizität erzeugt wird. Nach Angaben der Forscher kann das kostengünstige Verfahren selbst in Gebieten mit extrem niedriger Luftfeuchtigkeit wie etwa in der Sahara Strom erzeugen. 

Die Zukunft wird weisen, ob sich diese tollen Ideen durchsetzen können. Wir freuen uns jedenfalls auf weitere solche Luftnummern!

Christa Dettwiler