Chance in der Krise?

Blauer Himmel über Peking
Blauer Himmel über Peking

In der aktuellen Krise ist die Industrieproduktion heruntergefahren, das Um-die- Welt-Reisen eingestellt, sind Grundrechte ausgehebelt. Und siehe da: Die Konzentration von Stickstoffdioxid NO2 in der Luft sinkt seit Ende Januar in schwindelerregendem Tempo. 

Messungen seit dem Ausbruch des Corona-Virus in China und in Italien zeigen deutlich niedrige Werte im Vergleich zum Vorjahr. NO2 ist  das Gas aus Industrieanlagen, Fahrzeugen und Kraftwerken, das zusammen mit Feinstaub jedes Jahr Millionen Menschen krank macht und laut WHO-Studie für Millionen von Todesfällen  mitverantwortlich ist. 

 

Auch der CO2-Ausstoss habe sich in den vier Wochen nach dem Chinesischen Neujahr zeitweise wohl um ein Viertel gesenkt, vermeldete die Klimawandel-Website Carbon Brief. Sie rechnete hoch, dass das Herunterfahren der Industrieproduktion und der Rückgang der Mobilität die weltweiten CO2-Emissionen um 200 Megatonnen verringert haben. Ins Gewicht fällt vor allem der massiv reduzierte Flugverkehr. 

 

Die aktuelle Krise zeigt, dass sich die Natur recht schnell von menschlicher Aktivität erholen kann, wenn diese aufs Notwendigste reduziert wird. Wie nachhaltig die Veränderung wirklich ist, bleibt abzuwarten. Die deutsche Autoindustrie hat jedenfalls vorsorglich vermeldet, sie hätten keine wirtschaftlichen Kapazitäten, den anvisierten Klimazielen nach der Krise noch folgen zu können. Und der aktuelle Dumpingpreis für Erdöl leistet dem Ausbau sauberer Energie ebenfalls nicht Vorschub. Nur zu leicht gehen dabei wesentliche Fakten vergessen, etwa, dass der Preis für Solarstrom heute praktisch gleich hoch ist, wie jener für konventionell hergestellte Energie – ganz ohne Krise. 

 

Die aktuelle Krise zeigt, dass Industriezweige fähig sind, ihre Produktion umzustellen, z.B. von Autos auf Beatmungsgeräte. Abertausende Menschen kümmern sich um einander. Gewerbebetriebe entwickeln aus dem Stand innovative und kreative Vertriebsmethoden. Die Politik arbeitet im Dauerbetrieb an Hilfsmassnahmen und Lösungen. 

 

Trotz stillgelegter Gesellschaft geschieht gerade unheimlich viel. Wenn wir daraus lernen, könnte es richtig gut werden – für uns und für den Planeten. Wir sollten uns vielleicht einfach bewusst machen, dass wir nicht nur alle dem Corona-Erreger schutzlos ausgeliefert sind, sondern auch den Treibhausgasen. Und genau so vehement, wie wir den Viren begegnen, können wir auch die Verbreitung von schädlichen Gasen eindämmen. 

Christa Dettwiler