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Friedliche Proteste werden kriminalisiert

#No DAPL
Photo: Vlad Tchompalov auf Unsplash

Dass aus den USA merkwürdige Kunde zu uns herüber dringt, ist beinahe schon die Regel. Doch dieser neuste Dreh erzeugt dann doch ein sehr ungutes Gefühl. Der Bundesstaat Mississippi ist drauf und dran, friedliche Proteste gegen Erdöl-Infrastruktur zu kriminalisieren. Die entsprechende Vorlage wurde unter dem Deckmantel der Covid-19-Krise durchgepeitscht.

Damit ist der Südstaat bereits der 13., der solche Proteste unter Strafe stellt. Wer also unbefugt Gelände betritt, auf dem Öl-, Gas-, Petrochemische Tanks oder Pipelines angesiedelt sind, muss mit sechs Monaten Gefängnis oder 1 000 Dollar Busse rechnen. Wer in Mississippi Schaden anrichtet oder die Produktion stört, dem drohen bis zu sieben Jahre Haft und 100 000 Dollar Busse, auch den Gruppen, die Demonstrantinnen unterstützen.

 

Interessant ist, dass diese neuen Gesetze während den Corona-Turbulenzen verabschiedet wurden, wie Greenpeace-Daten und das International Centre for Not-for-Profit-Law ICNL beobachtet haben. In Kentucky, South Dakota und West Virginia wurden die drakonischen Strafen im März ins Gesetz geschrieben. Louisiana wollte im Mai eine Mindeststrafte von drei Jahren Haft mit Zwangsarbeit verhängen, selbst für friedliche Proteste. Allerdings legte der Gouverneur dagegen sein Veto ein.

 

Alle diese Strafmassnahmen wurden im Nachgang zu den Protesten gegen die «Dakota Access Pipeline» durchgesetzt. Demonstrierende wollten den Bau verhindern, weil die Pipeline eine heilige Wasserquelle auf dem Standing Rock Reservat unterquert. Damals wurden Hunderte indigener Aktivisten und Umweltschützerinnen von den militärisch aufgerüsteten Sicherheitskräften verletzt.

 

Kaum hatte die Trump-Administration das Projekt durchgewinkt, versorgte das rechte «American Legislative Exchange Council» betroffenen Staaten mit einer Vorlage, die das Strafmass für Demonstrationen drastisch erhöhte. Connor Gibson, der bei Greenpeace USA solche Gesetzgebungen beobachtet, sagte zur Zeitung Huffington Post: «Gesetzgeber in vielen Staaten tun alles für die grossen Verursacher von Umweltschäden – jetzt gerade unter dem Deckmantel der Covid-19-Krise und den landesweiten Protesten gegen ein tödliches, rassistisches Polizeisystem. Anstatt die Rechte von Minderheiten oder die Bedürfnisse von Menschen ernst zu nehmen, die ihre Arbeit verloren haben, schützen Politiker die Interessen der Erdölindustrie und unterlaufen das fundamentale Recht zu protestieren.»

 

Die Ölindustrie kriegt, was sie will. Dafür schickt sie hochbezahlte Lobbyisten ins Feld, die – wie Greenpeace herausgefunden hat – Politiker auch mal zu teuren Essen einladen. In Mississippi reichte das offenbar. Nur fünf Tage nach dem gemeinsamen Mahl, brachten die beteiligten Herren die Vorlage ins Parlament und sorgten einen Monat später dafür, dass sie auch durchkam.

 

Sollen wir uns nun glücklich schätzen, dass wir in der Schweiz kaum «systemrelevante» Ölinfrastruktur haben? Oder dass solche Vorlagen in unserem demokratischen System nicht in einem Monat durchgewinkt werden können? Oder sollen wir die Augen weit offen halten, damit solche im wahrsten Sinne Drecksgeschäfte nicht auch hierzulande abgeschlossen werden? Die Ölindustrie ist schliesslich nicht der einzige Wirtschaftszweig, der unsere Erde bedroht. 

 

Christa Dettwiler