Solarbetriebener Job-Motor

Foto: Ricardo Gomez Angel auf Unsplash
Foto: Ricardo Gomez Angel auf Unsplash

Nicht nur Online-Händler, Börsenzocker oder WC-Papier-Produzenten profitieren von der Corona-Pandemie. Auch die Solarbranche gehört zu den Gewinnerinnen, wenn man denn überhaupt von Gewinnen reden kann. Jedenfalls sucht sie allenthalben nach Mitarbeitenden. Eine Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, ZHAW, hat ausgerechnet, dass jede zehnte Arbeitslose in der Solarbranche ein neues Auskommen finden könnte. Das wären immerhin gegen 14 000 Stellen. 

Der Umstieg in die Solarbranche ist relativ einfach, denn die Anforderungen an Monteure sind nicht sonderlich hoch. Die wichtigsten Grundlagen können mit einer kurzen Anlehre von wenigen Wochen erlernt werden.

 

Den Beweis dafür hat etwa die Schweizer NGO Solafrica erbracht. Die Organisation, die hauptsächlich in Afrika engagiert ist, hat in der Schweiz ein Projekt lanciert, um Flüchtlingen in der Solarbranche eine Existenz zu ermöglichen. In Partnerschaft mit Solarunternehmen in acht Kantonen bietet sie ein Kurztraining mit anschliessendem Praktikum in Solartechnik an. Mit dem Programm «Refugees go Solar» hat die Organisation allein in diesem Jahr mehr als einem Dutzend Menschen eine sichere Existenz in ihrer neuen Heimat ermöglicht. 

 

Das Schweizer Fernsehen hat kürzlich über den 23-jährigen Latif Qasemi aus Afghanistan berichtet, der in Bäch SZ bei der Firma Sunconnect eine Stelle gefunden hat. Zuerst war Inhaber Dieter Baumann skeptisch. Dass er dem jungen Flüchtling einen Praktikumsplatz anbot, hat er jedoch nicht bereut: «Bei Latif war nach einer Stunde klar – der will, der kann.» Baumann ist froh über die Verstärkung. Noch vor einem Jahr habe er zwei Mitarbeiter beschäftigt, jetzt sucht er neue Leute. Sein Geschäft leide nicht unter der Corona-Krise: «Architekten hatten Zeit. Elektro-Planer hatten Zeit, Immobilien-Besitzer waren mehr zu Haus – alle hatten Zeit», sagte Baumann gegenüber SRF. «Plus, in der Bevölkerung ist mittlerweile, glaube ich, angekommen: Wir müssen etwas machen, so kann es nicht weitergehen.»

 

Dass wir etwas machen müssen, meint auch der Schweizer Fachverband für Solarenergie, Swissolar, der Ende Oktober seine Generalversammlung durchgeführt hat. Online, wie es sich zurzeit gehört. Es gab gute Nachrichten: Seit Jahresbeginn haben sich die Anmeldungen für Einmalvergütungen gegenüber 2019 fast verdoppelt. Bis Ende Jahr ist ein Rekordzubau von mehr als 400 Megawatt zu erwarten. Swissolar-Geschäftsleiter David Stickelberger liess dann doch noch einen Wermutstropfen fallen: Um die Energiewende zu schaffen, wären 1 000 Megawatt nötig. 

 

Tatsächlich kommt die Schweiz nicht so richtig vom Fleck in Sachen Erneuerbare. Nur gerade 250 Kilowattstunden Sonnen- und Windstrom werden pro Jahr pro Kopf produziert. Damit kann man etwa den Geschirrspüler laufen lassen. Kein Wunder verharrt die Schweiz im Vergleich mit den 28 EU-Ländern auf dem beschämenden 25. Rang.

 

Die Schweizer Energiestiftung SES hat sich die europäische Situation genau angeschaut. Von den ungefähr 7 000 kWh Strom, die pro Kopf in der Schweiz jährlich verbraucht werden, stammen 3,7 Prozent aus Sonne und Wind. Tabellenanführer Dänemark kommt auf rund 50 Prozent. Hinter der Schweiz rangieren nur noch Ungarn, Slowenien, die Slowakei und Lettland. Dabei wäre das Ausbaupotenzial riesig. Das Bundesamt für Umwelt kommt auf eindrückliche 67 Terawattstunden, würden alle geeigneten Hausdächer und Fassaden für die Produktion von Sonnenstrom genutzt.

 

Also beherzigen wir doch einfach den Rat des Sunconnect-Inhabers Dieter Baumann: «Wir müssen etwas machen, so kann es nicht weitergehen.»

Christa Dettwiler