Die Meinungsumfragen im Vorfeld des grossen Abstimmungswochenendes haben uns alle aufgeschreckt. Das CO2-Gesetz auf der Kippe? Auf einmal? Wenn alle Parteien, ausser der mit dem Sünneli, doch dafür sind? Was ist passiert? Ist Klimaschutz auf einmal aus der Mode geraten? Die Umfragen sind sich einig: Das Hemd ist einem näher als der Rock oder, anders gesagt, das Portemonnaie ist vielen Leuten wichtiger als eine aufgeheizte Erde. Deshalb: Gehen Sie an die Urne, motivieren Sie ihren gesamten Bekanntenkreis, das ebenfalls zu tun und ein deutliches Ja einzulegen.
Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass die Schweiz sich einem Gesetz verweigert, das schlicht notwendig ist. Das CO2-Gesetz ist nicht gerade ein Minimalkonsens, aber es ist alles andere als radikal. Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels ist es von grösster Dringlichkeit.
Ohne dieses Gesetz kann die Schweiz ihre Emissionen im Inland nur um rund 23 Prozent gegenüber 1990 absenken, und nicht um die notwendigen 37,5 Prozent. Diese Aussage stammt nicht etwa von irgendwelchen Aktivistinnen, sondern vom Bundesamt für Umwelt. Auch die Motivation, den Verbrauch von fossilen Brennstoffen einzuschränken, ginge verloren. Die Schweiz bliebe nicht einmal auf den aktuell maximal fünf Rappen Kompensation pro Liter Benzin sitzen. (Fünf theoretische Rappen, in Tat und Wahrheit sind es nämlich gerade einmal 1,5 Rappen.) Ohne das neue CO2-Gesetz fiele die Kompensationspflicht nämlich ganz weg, weil die gesetzliche Grundlage für eine Weiterführung fehlt.
Auch der Anreiz, den CO2-Ausstoss für Neuwagen weiter zu senken, fiele dahin. Die Schweiz bliebe auch auf dem Wert von 95 Gramm pro km sitzen. Dabei ist gerade der Verkehr eine der ganz grossen Baustellen im Klimaschutz. Ohne schärfere Effizienzgesetze rückte die Klimaneutralität bis 2050 in noch weitere Ferne. Dasselbe gilt fürs Fliegen. Die geplante Flugticketabgabe fiele unter den Tisch, und damit auch der Anreiz auf die eine oder andere Flugreise zu verzichten. Eine Kerosinsteuer gibt es nach wie vor nicht.
Und wenn wir schon von Geld reden: Ohne das CO2-Gesetz kommen auf Schweizer Unternehmen Mehrkosten zu. Bislang können sich Unternehmen von der CO2-Abgabe befreien lassen, sofern sie ihren Treibhausgas-Ausstoss von sich aus senken. Diese Regel gilt noch bis 2021. Laut Bundesamt für Umwelt führte das Scheitern des CO2-Gesetzes zu «deutlichen Mehrkosten». Alle wissen, dass «deutliche Mehrkosten» weitergegeben werden – an alle jene, die Produkte oder Dienstleistungen von Unternehmen einkaufen.
Jedes Gesetz, das einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, sollte eigentlich unumstritten sein. Schliesslich flötet auch die Opposition bei jeder Gelegenheit, selbstverständlich gehe es darum, den Verbrauch von fossilen Brennstoffen einzudämmen, selbstverständlich müsse der Planet Erde vor Überhitzung bewahrt werden, selbstverständlich liege ihr das Wohl der kommenden Generationen am Herzen. Selbstverständlich sind das alles Behauptungen, die weder etwas kosten, noch dem Klima Erleichterungen verschaffen. Sie sind nichts als leere Worte.
Deshalb noch einmal: Stimmzettel ausfüllen und ab die Post (bis Dienstag) oder an die Urne am nächsten Wochenende. Bekanntenkreis mobilisieren. Ein dickes, fettes Ja zum CO2-Gesetz einlegen. Man muss nicht alles ideal finden, was das Gesetz vorsieht. Aber das Ideal ist in einer direkten Demokratie schweizerischer Ausprägung sowieso nicht zu haben. Ein gut helvetischer Kompromiss verdient unsere Zustimmung allemal.
Christa Dettwiler