Klimafreundliche Kohleminen

Rain
Bild: Eric Brolin auf Unsplash

Bevor wir zum Thema kommen, reden wir doch ein paar Takte übers Wetter. Schliesslich beherrscht es dieser Tage die Schlagzeilen. Hier zu nass, da zu heiss. Hier Schlamm und Hagel, da exorbitante Hitze, Dürre und Feuer. Im pazifischen Nordwesten der USA flüchten flugunfähige Habichte aus ihren Nestern und stürzen ab, um der Hitze zu entkommen. Die Universität von British Columbia schätzt, dass rund eine Milliarde Meeresbewohner bei lebendigem Leib gekocht wurden, vor allem Muscheln und Seesterne. Kälte und Regen haben hierzulande zu Ernteausfällen vor allem bei Früchten geführt, weil die Bienen lieber im Trockenen blieben, als Aprikosen-, Kirsch- oder Apfelblüten aufzusuchen. Und viele Wissenschaftlerinnen sind sich einig: Daran werden wir uns gewöhnen müssen. 

Ein Zeichen dafür, dass wir uns daran werden gewöhnen müssen, ist das neue Beratungszentrum für Klimaanpassung, das letzte Woche in Deutschland eröffnet wurde. Ja, Klimaanpassung. Die Folgen der Klimaerwärmung dräuen demnach nicht mehr am fernen Horizont, sie sind schon da. Zwar sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze: «Die wichtigste Vorsorge im Einsatz gegen den Klimawandel ist entschlossener Klimaschutz.» Doch dann fügte sie an: «Aber auch für die nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels ist eine umfassende Vorsorge nötig.»

 

Ausgerechnet Kohleminen sollen künftig eine gewichtige Rolle beim Klimaschutz übernehmen. In Grossbritannien etwa sitzt rund ein Viertel aller Wohnbauten auf stillgelegten Kohleminen. Heute liegen diese Minen, die einst die Industrialisierung des Landes vorantrieben, brach. Im Laufe der Jahre haben sie sich mit Wasser gefüllt.

 

Schon vor einem Jahrzehnt hatte Adam Black, Direktor der Energieprojekte von Lanchester Wines, einem der grössten Abfüllbetriebe Englands, eine Vision. Wäre es nicht möglich, diese alten Minen für umweltfreundliches Heizen zu nutzen? Er veranlasste mit Hilfe von isländischen Geothermie-Experten verschiedene Bohrungen, die tatsächlich 15 Grad warmes Wasser zutage förderten. Das Wasser wird durch natürliche geologische Prozesse in der Tiefe der Erde erwärmt.

 

Seither wird das 37 000 m2-Lagerhaus mit seinen Millionen Weinflaschen dank diesem Wasser und etwas Unterstützung einer elektrischen Wärmepumpe auf perfekter Temperatur gehalten. Blacks Unterfangen blieb bei der UK Coal Authority, zuständig für alle stillgelegten Minen, nicht unbemerkt. Mittlerweile schmiedet sie grosse Pläne. Sie schätzt, dass in Wales, Zentralschottland, Nordengland bis zu den Midlands rund zwei Milliarden Kubikmeter warmes Wasser zu finden sind. Charlotte Adams, Leiterin Minenenergie bei der UK Coal Authority, ist überzeugt, dieses Wasser sei die beste Option, um fossile Heizenergie zu ersetzen. «Neun von zehn unserer grössten urbanen Zentren finden sich über ehemaligen Kohleminen. Das Minenwasser steht das ganze Jahr über zur Verfügung bei gleichbleibender Temperatur und in riesiger Menge.»

 

Auch Grossbritannien hat sich bis 2050 zum Netto-Null-Ziel bekannt. Dabei spielt die Heizenergie eine gewichtige Rolle, denn sie trägt zur Hälfte zum Gesamtenergiekonsum bei. Zu 70 Prozent wird dafür Erdgas genutzt. Nun soll also warmes Wasser aus stillgelegten Kohleminen übernehmen. Die Briten wollen auch das Know-how des weltweit am weitesten gediehenen Energieprojekts mit Minenwasser nutzen. Im niederländischen Heerlen haben Fachleute schon 2008 damit begonnen, Geothermie aus Minen zu nutzen. Heute sind rund 250 000 m2 Gebäudefläche angeschlossen. Der CO2-Ausstoss hat sich um zwei Drittel reduziert.  Jetzt sollen zusätzlich Wind- und Sonnenenergie die Wärmepumpen antreiben, um diesen Ausstoss weiter zu reduzieren. «Wir haben ein Kreislauf-System», erklärt Herman Eijdems, Innovations-Direktor bei Mijnwater. «Wir pumpen überschüssige Energie zurück ins Wasser, das damit zum Wärmespeicher wird.»

 

Der grösste Knackpunkt für diese Art der Energieproduktion ist – wie so oft – das Geld. Die Kapitalkosten sind weit höher, allerdings sind die Energiekosten unter guten Bedingungen tiefer. Deshalb hofft Adam Black darauf, dass die Kosten mit der Zeit und mit breiterer Anwendung der Technologie fallen werden, vor allem «wenn die Behörden das Ihre tun mit den Rahmenbedingungen».

 

Es sieht also ganz danach aus, als ob alten Kohleminen ein zweites, klimaverträgliches Leben beschieden sei. Das kann man von alten AKW nicht erhoffen. Tatsächlich bringen Schweizer AKW-Betreiber zum x-ten Mal Laufzeitverlängerungen ins Spiel – mit dem Argument Klimaschutz. Wahrscheinlicher ist, dass sie einzig die viele Milliarden Franken teuren Abriss- und Entsorgungskosten weiter aufschieben wollen.  

Christa Dettwiler