Wie man Klimaschutz kompliziert macht

Käferberg nach dem Sturm Juli 2021, zvg
Käferberg nach dem Sturm Juli 2021, zvg

Frankreich wird vom Pariser Verwaltungsgericht dazu verdonnert, zu viel ausgestossene Treibhausgase zu kompensieren. Es geht um mehrere Millionen Tonnen. Der russische Präsident dreht am Gashahn, um die Energiewende in Europa auszubremsen. Die Internationale Energieagentur fordert dreimal so viel Geld, damit die Klimaziele eingehalten werden können. Und in Zürich verweigert der Mieterinnenverband dem neuen Energiegesetz seine Unterstützung.

Am 28. November stimmen wir nicht nur über den Weg aus der Pflegemisere und über das Pandemiegesetz ab, in Zürich sind die Stimmenden aufgerufen, die Weichen für mehr Klimaschutz zu stellen. Was eigentlich ein Selbstläufer sein sollte, wird doch noch zur Zitterpartie, und wenn alles schiefläuft zur selben Blamage wie die verlorene Abstimmung über das CO2-Gesetz. 

 

  • Dabei geht es im Zürcher Energiegesetz um höchst einleuchtende Themen. So sollen u.a.möglichst viele der bestehenden 120 000 Öl- und Gasheizungen durch Systeme ohne fossile Brennstoffe ersetzt werden. In Neubauten werden die Verbrenner tabu.
  • Der Strom für Wärmepumpen oder Erdsonden soll möglichst auf dem Dach produziert werden.

 

Dass hier ein riesiges Potenzial für mehr Klimaschutz vorhanden ist – eines, das mit relativ wenig Aufwand ausgeschöpft werden kann – weiss man: Der Gebäudesektor ist mit immerhin 40 Prozent an den Treibhausgasemissionen beteiligt. Der Kanton ist auch durchaus bereit, tief in die Staatskasse zu greifen, um die Motivation für mehr Klimaschutzmassnahmen zu fördern. Falls das Gesetz angenommen wird, stehen jährlich 65 Millionen Franken zur Verfügung, 20 Millionen mehr als bisher.

 

Mit einer knappen Mehrheit verweigert nun aber der Mieterinnen- und Mieterverband dem Gesetz die Unterstützung. Man reibt sich verwundert die Augen und fragt: Was hat denn den Vorstand bei dieser Entscheidung geritten? So ganz klar ist das nicht. Es sei dies vor allem die Befürchtung, Vermieter könnten die energetischen Sanierungen für einen Totalumbau nutzen, alle Mieterinnen auf die Strasse stellen, um danach höhere Mieten einzustreichen.

 

Allerdings ist es mietrechtlich gar nicht zulässig, wegen energetischen Sanierungen Kündigungen zu verteilen. Das räumte auch Raffaella Albione, Geschäftsführerin des Mieterverbandes gegenüber dem Tages-Anzeiger ein: «Wenn alles richtig über die Bühne geht, müssen sich Mieterinnen keine Sorgen machen.» Und der zuständige Zürcher Regierungsrat Martin Neukom doppelte nach: «Das Energiegesetz führt zu keiner einzigen Leerkündigung», da es im neuen Energiegesetz ausschliesslich um den Heizungsersatz, nicht um Haussanierungen gehe.

 

Dass beim Mieterschutz in der Schweiz nicht alles optimal ist, ist kein Geheimnis. Deshalb pocht der Mieterinnenverband darauf, dass Fördergelder nur ausbezahlt werden dürfen, wenn keine Kündigungen ausgesprochen werden. In der föderalistischen Schweiz geht das aber nicht, weil die Fördermittel teilweise vom Bund stammen. Und der Bund erlaubt keine Bedingungen. 

 

Auf dem Buckel von zwingend notwendigem Klimaschutz Mietpolitik zu betreiben ist, gelinde gesagt, fragwürdig. Das Zürcher Energiegesetz kann die Lücken und Schlupflöcher im Immobilienmarkt nicht stopfen. Andererseits folgt das Verhalten des Mieterinnenverbandes einem nur allzu bekannten Muster: Alle wollen das Klima schützen. Auch der Verband hat sich explizit die «Energiewende» als Ziel gesetzt. Wenn es dann aber konkret wird, hält man sich vornehm zurück. Dass die SVP und der Hauseigentümerverband an vorderster Front gegen das Energiegesetz kämpfen, überrascht wohl niemanden. Vor allem der HEV sorgt sich neuerdings um steigende Mieten, was Albione schlicht als «schamlos» empfindet. Welches Adjektiv wäre angemessen, für die Weigerung ihres Verbandes das Gesetz zu unterstützen? Naiv? Unbedarft? Blauäugig? 

Christa Dettwiler