Klimagipfel: Geld oder Liebe

Foto: Ronan Futura
Foto: Ronan Futura

Die Einladung in die «Blaue Zone» am Glasgower Klimagipfel klingt verführerisch: Ein Treffen mit einem bekannten englischen Schauspieler. Er wird «die wissenschaftsbasierte Lösung» präsentieren, «die den Klimawandel schnell umkehrt», und erst noch 80 Prozent billiger. Allein das wäre eine Reise nach Schottland wert. Für einen Grossteil der Menschen aus dem globalen Süden allerdings, die am meisten unter der Erderwärmung leiden und Relevantes dazu zu sagen hätten, ist nicht einmal die Anreise möglich. 

«Wir wissen mit Sicherheit, dass Tausende Menschen aus dem globalen Süden ausgeschlossen werden», sagt Rachel Osgood von der COP26 Coalition, die Minderheiten am Klimagipfel vertritt. Keine Visa, keine Akkreditierungen, keine Impfstoffe, ständig wechselnde Reisebestimmungen, keine bezahlbaren Unterkünfte... «Die Länder des globalen Nordens werden Entscheidungen treffen mit minimaler Rechenschaft gegenüber denen, die am wenigsten verantwortlich und am stärksten betroffen sind», klagt Osgood.

 

Vielleicht gehört das zur Strategie, schliesslich hatten die Industrieländer an der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 ihre Bereitschaft angekündigt, armen Staaten jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar im Kampf gegen die Klimakatastrophe unter die Arme zu greifen. Schaut man die vorliegenden Zahlen an, welche die OECD publiziert, sind bis 2018 78,9 Milliarden aus OECD-Ländern zugesichert worden. Das gesteckte Ziel für 2020 wird voraussichtlich verfehlt, soll jedoch bis 2023 erreicht sein.

 

Auch knapp 80 Milliarden sind viel Geld. Schaut man aber genauer hin, werden nur gerade 20 Prozent der öffentlichen Hilfsgelder als echte Zuschüsse ausbezahlt. Der Rest sind Kredite. Und Kredite müssen bekanntlich zurückgezahlt werden – mit Zinsen. Dazu kommt, dass von allen diesen Milliarden für die am wenigsten entwickelten Länder, für besonders stark betroffene Inselstaaten oder Kleinbäuerinnen nur gerade Brosamen abfallen. Ein profitabler Solarpark in einem Land mit einem guten Wirtschaftsumfeld «zieht eben mehr Kapital an als ein Damm, der Felder sichert», konstatiert Sven Harmeling von Care Deutschland.

 

Wirft man dann einen Blick auf die Schuldzinsen, die arme Länder stemmen müssen, entsteht ein vollends absurdes Szenario. Die englische Jubilee Debt Campaign beobachtet die Verschuldung armer Länder sehr genau und setzt sich für eine umfassende Entschuldung ein. Laut ihren Zahlen müssen arme Länder fünfmal mehr Geld für Schuldzinsen aufbringen als sie für Klimaschutz einsetzen können. 

 

34 der ärmsten Länder geben jährlich 29,4 Milliarden US-Dollar aus, um Schulden zu bedienen. Für den Klimaschutz bleiben ihnen gerade noch 5,4 Milliarden. Beispiel Uganda: Zwischen 2016 und 2020 sollten 537 Millionen – darunter eben auch Gelder von internationalen Organisationen – in klimarelevante Projekte investiert werden. Gleichzeitig beläuft sich die Rechnung für Schuldzinsen 2021 auf 739 Millionen und wird bis 2025 auf 1,35 Milliarden steigen. Im Schnitt, so schätzt die Jubilee Debt Campaign, werden die 34 ärmsten Länder bis 2025 siebenmal so viel Geld für die Schuldentilgung aufbringen müssen wie für Klimaschutz. Tritt dann eine Katastrophe ein, dreht sich die Spirale weiter. Als Mosambik im Frühjahr 2019 vom Zyklon Idai verwüstet wurde, musste das Land neue Kredite aufnehmen, um Katastrophenhilfe und Wiederaufbau finanzieren zu können.  

 

Im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen wird seit Jahren unter dem Titel «Loss and Damage» (Verluste und Schäden) darüber verhandelt, wie arme Länder Hilfe im Fall von Klimaschäden bekommen können, die bereits heute nicht mehr zu verhindern sind. Doch die Industrieländer als Hauptverursacher der Klimakrise blockieren eine grundsätzliche Regelung, weil sie befürchten, dereinst auf milliardenschweren Schadenersatz verklagt zu werden, wenn sie zustimmen. Kein Wunder, schliesslich sind sie für 80 Prozent der weltweit ausgestossenen Treibhausgase verantwortlich.

 

Ach ja, der englische Schauspieler. Seine Präsentation heisst: «Love is the Only Solution.» Liebe löst also die Klimakatastrophe. Und kosten tut sie auch nichts. Nur, wo die Liebe zum Planeten und allen seinen Kreaturen fehlt, lässt sie sich nicht verordnen. Aber vielleicht gibt’s bald eine entsprechende Impfung?

Christa Dettwiler