Flug-, Zug- oder Kopfreisen?

Foto: Depositphotos
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Reisen ist in Pandemiezeiten zum echten Abenteuer geworden. Hier Masken, dort Tests, Impfungen sowieso. Von 2 bis mehrfach G ist alles möglich. Hie und da eine sofortige Einreisesperre oder eine unverhoffte Quarantäne. Wer das Ungewisse, das Abenteuer liebt, sollte jetzt unbedingt verreisen. Wer im Wust der ständig wechselnden Vorschriften noch einen Gedanken fürs Klima übrig hat, fragt sich vielleicht, welches Transportmittel denn das Adäquateste wäre.

Flugreisen sind problematisch, weil mit Flugscham behaftet. Und das mit gutem Grund: Sie haben sich im letzten Jahrzehnt zur am schnellsten wachsenden Treibhausgas-Quelle in Europa entwickelt (plus 29 Prozent zwischen 2009 und 2019 in der EU). Das reicht der Branche jedoch nicht. Bis 2037 plant sie, den Flugverkehr bis 2037 zu verdoppeln.

 

Wer nicht in allzu grosse Ferne schweifen will, hat durchaus Alternativen zum Kurzstreckenflug. Für jeden dritten gibt’s in Europa eine Zugverbindung unter sechs Stunden. Grund genug für Greenpeace, die EU aufzufordern, entsprechende Flüge zu streichen und sich dafür dem Ausbau von Zugsverbindungen zuzuwenden. Auch die Unterstützung serbelnder oder darbender Fluggesellschaften via Investitionen, Rettungsaktionen oder anderer Stützungsmassnahmen mit Steuergeldern, soll sofort aufgegeben und das Geld in eine bessere Bahninfrastruktur investiert werden.

 

Der Wirbel ums Fliegen täuscht darüber hinweg, dass nur gerade ein Prozent der Weltbevölkerung überhaupt je ein Flugzeug besteigen und damit für einen beträchtlichen Teil der CO2-Budgets verantwortlich sind. Während bei Langstreckenflügen nur eine Reduktion in Frage kommt, können Reisende für kürzere Strecken bequem auf die Bahn umsteigen. Das sehen auch 62 Prozent der Europäerinnen so, wie eine Umfrage der Europäischen Investmentbank ergab. Eine grosse Mehrheit unterstützt folgerichtig auch den Ausbau des Bahnangebots.

 

Würden nur die beliebtesten Kurzstreckenflüge gestrichen und dafür die bestehenden Bahnverbindungen unter sechs Stunden genutzt, könnten dreieinhalb Millionen Tonnen CO2-Äquivalent jährlich eingespart werden. Mit besserer Infrastruktur, Ausbau der Verbindungen oder günstigeren Tickets könnten in Europa alle top 250 Kurzstreckenflüge ersetzt werden. Die CO2-Vermeidung entspräche etwa dem Jahresbudget von Kroatien.

 

Für Lorelei Limousin, die sich bei Greenpeace um Klima und Energie kümmert, ist die Sache klar: «Die Flugbranche ist eine der klimaschädlichsten und ungerechtesten Branchen der Welt. Anstatt solche Unternehmen zu unterstützen, sollten die öffentlichen Gelder in klimaverträgliche und effiziente Alternativen wie Züge investiert werden.» Die Forderung, Kurzstreckenflüge kurzerhand zu verbieten, sofern Bahnalternativen existieren, liegt auf der Hand. 

 

Obwohl sich verschiedene Länder darum bemühen, ihr Nachtzugangebot auszubauen, haben andere wie Spanien, Portugal, Frankreich und Italien ihren Fahrplan ausgedünnt. Die EU-Kommission hat sich im Zug ihrer «Smart and Sustainable Mobility»-Strategie zwar dazu bekannt, den öffentlichen Verkehr unter 500 Kilometer DIstanz «klimaneutral» zu gestalten. Bislang hat sie es jedoch nicht geschafft, entsprechende verpflichtende Massnahmen zu ergreifen.

 

Frankreich dagegen hat einen Schritt in diese Richtung gewagt, allerdings einen äusserst zaghaften: Das Land will Inlandflüge verbieten, sofern die Destination in unter zweieinhalb Stunden per Bahn erreicht werden kann.

 

Die Kluge reist im Zuge. Dieser Slogan hat heute mehr Gültigkeit denn je. Und wer in diesen prekären Zeiten lieber im Kopf reist, kann seine Lieblingsdestination auf der interaktiven Europakarte eintragen, die Greenpeace als Ergänzung zur Analyse aufgeschaltet hat.

Christa Dettwiler