Solare Anbauschlacht

Anbauchschlacht Sechseläutenplatz Zürich
Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

Mit der Sorge um unseren Heimatplaneten steigt auch die Resignation. Obwohl mittlerweile eine satte Mehrheit weltweit den Klimawandel als die grösste Bedrohung wahrnimmt, harzt und knorzt es bei wirklich griffigen Massnahmen dagegen. Eigeninteressen, Klientelwirtschaft und träge politische Entscheidungen verhindern die grossen Schritte Richtung klimaverträglichem Menschsein.

Das zeigt sich beispielhaft in den USA. Die Grossmacht hat per Ende letzten Jahres ihr gesamtes CO2-Budget aufgebraucht, das ihr im Rahmen des 1,5 Grad Ziels zustünde. Doch das ambitionierte Reformpaket der Biden-Regierung bleibt wegen der Stimme eines demokratischen Senators aus dem Kohle-Bundesstaat West Virginia blockiert. 

 

Auch hierzulande machen Interessensvertreter in Obstruktion. Bundesrätin Simonetta Sommaruga will nächste Woche eine Reform des Energiegesetzes in den Bundesrat bringen, in dem die Sonnenenergie eine zentrale Rolle spielen wird. Mit dem Satz: «Beim Bau neuer Gebäude ist auf den Dächern oder an den Fassaden eine Solaranlage wie eine Photovoltaik- oder eine Solarthermieanlage zu erstellen», strebt die Energieministerin eine national einheitliche Lösung an, die den kantonalen Flickenteppich ersetzen soll. 

 

Allerdings ist die sogenannte Solarpflicht in gewissen Kreisen, namentlich im Hauseigentümerverband, etwa so beliebt wie die Impfpflicht. Das schreckt den Schweizer Dachverband Swissolar jedoch wenig. Rechtzeitig zu den Beratungen der Energiekommission des Ständerates zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Mantelerlass) hat Swissolar letzte Woche einen 11-Punkte-Plan zum Ausbau der Sonnenenergie vorgelegt. Anstelle der vom Bundesrat angestrebten 39 Terawattstunden aus erneuerbaren Quellen bis 2050, dürfe man ruhig 50 TWh anstreben. Davon könne die Sonne 45 TWh liefern, was immer noch weniger als der Hälfte des Potenzials in der Schweiz entspreche.

 

Der Swissolar-Plan sieht etwa eine Erhöhung des Netzzuschlags um 0,5 Rappen pro Kilowattstunde vor sowie die längst überfällige einheitliche Regelung der Abnahmevergütung. Um die Sonnenenergie in die Stromnetze besser zu integrieren, sollen lokale Energiegemeinschaften gebildet werden. Das schaffe Anreize zum Bau von PV-Anlagen mit lokalem Eigenverbrauch, ohne zusätzliche Fördergelder oder teure Netzausbauten.

 

Dass die Bewilligungspraxis vereinfacht werden muss, ist ein weiterer wesentlicher Punkt, um der Sonnenenergie auf die Sprünge zu helfen. Denn die Kapazität ist im Überfluss vorhanden. Swissolar rechnet vor, dass allein auf bestehenden Dach- und Fassadenflächen mehr Solarstrom produziert werden könne, als die Schweiz insgesamt verbraucht. Und hier geht der Dachverband einen entscheidenden Schritt weiter: Eine Solarpflicht soll nicht nur für Neubauten gelten, sondern auch bei Sanierungen. 

 

Dabei kann Swissolar auf Verbündete in den Kantonen hoffen. Denn für etliche wäre die Einbindung bestehender Gebäude nur noch ein kleiner Schritt – bereits 18 Kantone haben eine Eigenstrompflicht bei Neubauten eingeführt. Aktuell überarbeitet die Konferenz der kantonalen Energiedirektoren die sogenannten Mustervorschriften und überlegt laut Generalsekretär Jan Flückiger «inwiefern man auch die Bestandsbauten künftig einbeziehen könnte».

 

Klar, es wird Obstruktion geben, weil kurzfristige wirtschaftliche Interessen nach wie vor das langfristige Denken auszuschalten scheinen. Glücklicherweise reicht hierzulande nicht eine einzige Stimme aus, um demokratische Entscheide auszuhebeln. 

Christa Dettwiler