Unvorhersehbare Stresssituation

PV-Anlage
Foto: Kenrick Mills, Unsplash

Die Hektik in der Energiepolitik – schon seit Monaten hoch – nimmt weiter zu. Es wird zusehends schwieriger, den Überblick zu behalten. Würde die heisse Luft genutzt, die bei den Auseinandersetzungen um Richtung und Produktionsmethoden entsteht, könnte wohl das eine oder andere «Notgaskraftwerk» eingespart werden. Das Gezerre um den richtigen Weg zur Klimaneutralität behindert und blockiert richtungsweisende Entscheide.

Energieministerin Simonetta Sommaruga nannte letzte Woche den Bundesratsentscheid zu Wasserkraftreserven und klimaneutralen Gaskraftwerken «Vorkehrungen für unvorhersehbare Stresssituationen». In einer solchen dürften sich die Entscheidungsträgerinnen schon seit einiger Zeit befinden. Der WWF kritisierte den Entscheid umgehend und meinte, für die sichere Versorgung im Winter genüge eine Strategie aus Stromsparen, Photovoltaik, Speicherreserven und intelligenter Nachfragesteuerung. Auch die EMPA kommt in einer Studie zum Schluss, dass es allein mit erneuerbaren Energien zu richten sei.

 

Die FDP wiederum verabschiedete an ihrer Delegiertenversammlung in Montreux ein Resolutionspapier, das rechtliche Voraussetzungen fordert, «damit langfristig und bei Bedarf auch eine neue Generation der Kernkraft-Technologie ihren Beitrag an die Versorgungssicherheit leisten könnte, sofern die Sicherheit jederzeit gewährleistet werden kann». Damit dürfte diese Technologie wohl gleich vom Tisch sein, denn Sicherheit jederzeit gibt es ganz einfach nicht.

 

Die Stromkonzerne wiederum fokussieren lieber auf Gewinne als auf die Versorgungssicherheit im eigenen Land. Und Gewinne fahren sie vor allem mit Investitionen im Ausland ein. Und es ist die EU, die entscheidet, wohin der erneuerbare Strom, der im Auftrag von Axpo und Co. in Spanien, Italien oder in der Nordsee produziert wird, im Falle eines Engpasses fliessen wird. Als die Energieministerin den Standpunkt vertrat, die Energieunternehmen seien verpflichtet, die einheimische Stromversorgung sicherzustellen, winkten die Stromkonzerne ab. Sie seien auf Gewinne angewiesen, und solche seien bei einheimischen Wind- und Solarprojekten eben nicht zu erzielen.

 

Kurz und gut: Ein klimafreundlicher Lösungsansatz wird fleissig hin- und hergeschoben zwischen Politik und Wirtschaft. Eigeninteressen und nationale Verantwortung prallen aufeinander. Produktionsarten werden gegeneinander ausgespielt. Jeder Schritt, egal in welche Richtung, wird behindert oder ganz blockiert. Verlierer sind wir alle. 

 

Denn ins «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien», mit dem der Bundesrat den Ausbau erneuerbaren Energien «rasch und konsequent» voranbringen will, haben sich Änderungen eingeschlichen, die für Besitzerinnen von kleinen PV-Anlagen echte Nachteile bringt. Dabei sollen diese gemäss den aktuellen Modellrechnungen des Bundes rund 70 Prozent des gesamten Ausbaus der erneuerbaren Energien stemmen. 

 

Energie Zukunft Schweiz hat im Auftrag der Schweizer Energiestiftung und Swissolar ganz genau hingesehen. Neu soll sich die Einspeisevergütung nach dem Marktpreis zum Zeitpunkt der Einspeisung richten, anstatt wie bisher zu einem fixen Preis erfolgen. Im Moment ist das zwar durchaus lukrativ, weil der Markt aber überaus volatil ist, werden private Solaranlagen-Bauer abgeschreckt. Auch der Eigenverbrauch verlöre an Wert. Neu könnten mit eigenen Solaranlagen weniger Netzkosten eingespart werden. 

 

Der Ball liegt nun wieder beim Parlament. Swissolar gibt ihm den Tarif klar durch: «Zur Erreichung der Klimaziele und zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit braucht es einen Ausbauschub bei Solaranlagen. Die Vorschläge des Bundesrats im neuen Gesetz wirken hingegen als Bremse.» Und diese Bremse muss schleunigst gelöst werden.

Christa Dettwiler