Da zittern die Haare vor Empörung: Solaranlagen-Besitzer müssen draufzahlen, statt Fördergelder zu kassieren. Statt zu blechen, schalteten einige lieber ab. Laut Pronovo, der Stelle, der die Förderprogramme für erneuerbare Energie untersteht, mussten im ersten Quartal 450 PV-Betreiber dem Bund knapp 2,5 Million Franken rüberschaufeln, steht im Artikel. Skandal, Skandal. Der Bericht der «SonntagsZeitung» vom 17. Juli schlägt viel Schaum. Doch was verbirgt sich dahinter?
Zum einen: Es geht nur um grössere Anlagen mit mehr als 100 Kilowatt Leistung. Für diese wird vom Bund ein Vergütungssatz festgelegt und davon wird der durchschnittliche Börsenpreis für Strom abgezogen. Es dürfte niemandem entgangen sein, dass die Strompreise nur noch eine Richtung eingeschlagen haben: nach oben. Und so kommt es, dass der Börsenpreis den Vergütungssatz schnell einmal hinter sich liess. Anstatt Geld zu erhalten, erhielten gewisse PV-Betreiber eine Rechnung von Pronovo.
«Unschön», sagt der Swissolar-Geschäftsleiter David Stickelberger. Aber bei der Erarbeitung des Gesetzes sei dieser Sachverhalt nicht zu erwarten gewesen. Zudem gäbe es eine sehr einfache Lösung des Problems: Anstatt abzuschalten könne jeder Solarbetreiber aus dem alten Fördersystem aussteigen und seinen Strom selbst verkaufen.
Solarspar Geschäftsleiter Markus Chrétien sieht ebenfalls keinen Grund zur Aufregung. Zwar hätte auch Solarspar die eine oder andere Rechnung erhalten, aber die Beträge fielen ganz einfach nicht ins Gewicht. Denn bei anderen Grossanlagen, wo der Strom etwa durch Flecopower vermarktet würde, seien die Einnahmen dafür sehr viel höher.
Auch Peter Stutz von NWA (Nie wieder Atromkraftwerke) Schweiz rät zu ruhig Blut und spricht von «grobem Unfug» der «SonntagsZeitung». Er stellt «das klassische Nicht-Thema» richtig. Alle KEV-Anlagen erhalten nach wie vor die genau gleiche Vergütung. Niemand müsse Pronovo Geld rüberschieben, denn im Energiegesetz, Artikel 21, Absatz 5 sei genau festgelegt, was passiert, wenn der Marktpreis den Vergütungssatz übersteigt, dann «steht der übersteigende Teil dem Netzzuschlagfonds zu».
Stutz meint denn auch kurz und bündig: «Damit ist die Hauptaussage des SonntagsZeitungs-Artikels falsch.» Und die Forderung, diese schlimme Situation sofort zu ändern, sei so sinnvoll wie die Forderung, uns vor dem Angriff der Marsianer zu retten. Doch dann verliert der ausgewiesene Energie- und Solarfachmann und langjährige Kämpfer für eine vernünftige Energiepolitik doch noch den Humor. Denn der Artikel «mit den falschen Behauptungen hat schon 140 Onlinekommentare ausgelöst, die mehrheitlich wie gewünscht herziehen über die Bürokratie, die Bundesbeamten, den Bundesrat und die Politiker. Und das alles aufgrund von Falschaussagen».
Klar, dass Medien in der Regel auf jeden Aufreger aufspringen, Empörung geschickt bewirtschaften, vor allem, wenn man «denen da oben» ans Bein ginggen kann. Was Tamedia aber mit solchen Artikeln vor allem erreicht ist, potenzielle PV-Betreiberinnen weiter zu verunsichern, den so dringend nötigen raschen Ausbau zu bremsen und wie wenn die Gesetze und Regelungen nicht schon kompliziert genug wären, noch mehr Verwirrung zu stiften.
Dasselbe gilt im Übrigen auch für die Horrorszenarien, die gerade bei allen Medien äusserst beliebt sind und genüsslich prognostiziert werden: Wie wir im Winter frierend und hungernd vor der geschlossenen Migros leiden werden, weil es einfach nicht mehr genug Strom oder Gas oder Öl gibt, um unser Land warm und am Laufen zu halten. Auch dabei wird so wild mit Zahlen und Fakten jongliert, bis alles verschwimmt.
Aber eben: Die Marsianer kommen. Rette sich wer kann.
Christa Dettwiler