Ab sofort: Sonne systemrelevant

Meyer Burger I Überblick über die Modulfertigung in Freiberg
Bild: Meyer Burger I Überblick über die Modulfertigung in Freiberg

Aber ja doch, es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Mitten in der Sommerhitze kommt Post von ewl Luzern. Der Energieversorger teilt mit: «Es freut uns, Ihnen mitzuteilen, dass ewl energie wasser luzern die Einspeisevergütung für Stromrücklieferungen per 1. Juli 2022 von 5 auf 13 Rappen pro Kilowattstunde erhöht hat.» Damit steigt ewl rasant auf in der Liste der Elektrizitätswerke, die einheimischen Solarstrom anständig vergüten.

Für den Herkunftsnachweis gibt’s weiterhin vier Rappen obendrauf, das heisst, pro Kilowattstunde Sonnenstrom, der ins Netz von ewl fliesst, erhalten Anlagenbetreiberinnen insgesamt 17 Rappen. Die Begründung: «Die einerseits stetig steigenden Beschaffungskosten für elektrische Energie sowie andererseits die hohe Relevanz von PV-Anlagen für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit haben uns veranlasst, die Einspeisevergütung anzuheben.»

 

Insbesondere das Andererseits ist bemerkenswert: Die hohe Relevanz des Sonnenstroms für die Versorgungssicherheit. In Krisenzeiten ist eben Verlass auf die Sonne. Egal, ob mit Energieversorgung im Krieg Schindluder getrieben wird, egal, ob der längst beschlossene AKW-Ausstieg in Frage gestellt wird, die Sonne scheint unverdrossen vom Himmel. Unberührt vom menschengemachten Wahnsinn auf einem winzigen Planeten, der in rund 150 Millionen Kilometern Entfernung um sie herumwandert.

 

Menschen produzieren nicht nur Wahnsinn, sie tüfteln auch allerlei Geräte aus, wie sie das, was die Natur ihnen schenkt, für sich nutzbar machen können. Solarzellen sind eine geniale Erfindung. Sie werden in Massen produziert, um Sonnenlicht in Strom umzuwandeln. Für den europäischen Markt werden sie zu 98 Prozent in China hergestellt. Und zurzeit sind sie nur schwer zu bekommen. Die Lieferketten kränkeln. Corona hat sie vorübergehend lahmgelegt, zudem setzt China selbst vermehrt auf die Sonne und braucht die Module im eigenen Land. 

 

Dabei gab es mal eine europäische Solarindustrie, die allerdings im Zug der Suche nach dem billigsten Hersteller «kaputt gegangen» ist, wie es der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck so elegant formulierte. Und es wäre dumm, meint er, den Markthochlauf nicht auch industriepolitisch zu nutzen, um die Solarindustrie in Deutschland wieder hochzuziehen.

 

Anlässlich Habecks Besuch letzte Woche beim Schweizer Solarunternehmen Meyer Burger Technology AG in Bitterfeld-Wolfen, sprach Firmenchef Gunter Erfurt davon, die Produktion von Solarmodulen wieder heimzuholen. Meyer Burger schreibt seit zehn Jahren rote Zahlen und hat die Produktion von Solarmodul-Maschinen aufgegeben. Seit 2021 werden wieder Zellen und Module in Deutschland produziert, mit Silizium aus Europa. Im April gab Erfurt bekannt, sein Unternehmen wolle zum «Gigawatt-Spieler» aufsteigen. Die Wurzeln einer europäischen Solarindustrie seien noch vorhanden, man müsse jetzt die Pflänzchen giessen, damit sie wieder schön und gross würden.

 

Damit dieser Industriezweig gedeihen kann, braucht es eine solide Standortförderung, auch in der Schweiz. In Deutschland will Klimaminister Habeck entsprechende Weichen stellen, denn die Logik, dass die Produktion aus Kostengründen nach Asien gehen müsse, habe sich gewandelt. 

 

Da passt es gut, dass das Bundeswirtschaftsministerium Ende letzter Woche die Vergütung für Strom aus neuen PV-Anlagen auf bis zu 13,4 Cent pro Kilowattstunde angehoben hat. Das ist rund doppelt so hoch, wie die aktuellen Vergütungssätze. Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gilt in Deutschland ab sofort der Grundsatz, dass erneuerbare Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen.

 

Anfang Juli billigte der Bundestag ein Gesetzespaket für die Förderung der erneuerbaren Energien. Das festgeschriebene Ziel: Bis 2030 soll die deutsche Stromversorgung zu mindestens 80 Prozent aus Erneuerbaren gedeckt werden.  

 

Die Sonne gilt also ab sofort als systemrelevant. Wäre ein guter Witz, wenn die Politik das nicht durchaus ernst meinte. Ob die Mannen und Frauen, die die Weichen stellen, auch schon mal darüber nachgedacht haben, dass es ohne den heissen Stern im äusseren Drittel der Milchstrasse gar kein System Erde gäbe?

Christa Dettwiler