Zurück in die Zukunft

Bild: Unsplash I Stormseeker
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Die Aussage von UN-Generalsekretär Antonio Guterres könnte simpler nicht sein: «Das Festhalten an fossiler Energie ist Selbstmord.» Im Gespräch mit Euronews fügte er lakonisch an: «Und ich hoffe, die Menschen werden verstehen, dass Selbstmord nicht gerade der beste Weg ist, um die Zukunft zu meistern.» Genau das scheinen aber aktuell viele Menschen, einflussreiche Menschen, Menschen, die die politischen Weichen in die Zukunft stellen, nicht zu verstehen.

Wer Angst hat, handelt nicht rational, heisst es. Und genau das bewahrheitet sich gerade in der Energiedebatte. Wo soll denn bitteschön die Energie herkommen, um unsere Stuben zu heizen, den Fernseher laufen zu lassen, die Millionen von Motoren und Motörchen unseres Wohlstands anzutreiben? Angst vor Mangel, Angst vor Höchstpreisen und Bürgerrevolten, Angst, nicht mithalten zu können befeuern Entscheidungen, über die man nur noch fassungslos den Kopf schütteln kann.

 

Der nächste Klimagipfel, COP27 im November in Ägypten, ist schon längst in Vorbereitung. Mitte Juni traf sich die Afrikanische Union. Die Energieminister der beteiligten Länder einigten sich auf ein internes Papier, auf das das Nachrichtenmagazin Der Spiegel einen Blick werfen konnte.

 

«Kurz- bis mittelfristig werden fossile Brennstoffe, insbesondere Erdgas, eine entscheidende Rolle bei der Ausweitung des Zugangs zu moderner Energie spielen müssen», hiess es da. Zwar sind sich auch die afrikanischen Länder durchaus bewusst, dass sie damit das Klima nicht schützen, der Ausstieg aus fossiler Energie jedoch bringe Afrika «in eine benachteiligte Position». Das kann man nachvollziehen. Nachdem die Industrieländer mit ihrer jahrzehntelangen Verschwendungssucht das Klima angeheizt haben, müssen nun auch weniger entwickelte Nationen die Sache ausbaden. Und das wollen sie nicht. Sie wollen nun ihrerseits ein Stück vom Kuchen.

 

Die hohen Preise für Gas und Öl machen neue Förderprojekte attraktiv. So will der französische Mineralölkonzern Total die Ölreserven unter dem Albertsee durch Uganda und Tansania bis an die Küste des Indischen Ozeans transportieren. Die geplante East African Crude Oil Pipeline soll die längste beheizte Rohölpipeline der Welt werden und die geschätzten 6,5 Milliarden Barrel Öl unter dem See nutzbar machen.

 

Auch eine 4’000 km lange Erdgaspipeline durch die Sahara soll zügig fertiggestellt werden, und die Demokratische Republik Kongo versteigert Öl- und Gaskonzessionen, die den Stoff aus dem grössten tropischen Torfgebiet der Welt fortschaffen sollen. Dass auch der Virunga-Nationalpark, das weltweit wichtigste Gorillaschutzgebiet, betroffen ist, kratzt grad keinen.

 

Man kann es Afrika nicht verdenken, dass es seine Staaten weiterentwickeln will. Vor allem, weil die Industrieländer aus Angst vor dem grossen zu Wenig ebenfalls alle Hemmungen fallen lassen, um ja nicht ins Hintertreffen zu gelangen. 

 

Auch unser Land tut sich schwer, Energieversorgung und Klimaschutz unter einen Hut zu bringen. Die politische Debatte nimmt immer absurdere Züge an. Die Tendenz geht zurück zum Altbewährten, wenn auch Schädlichen und Überkommenen. Das Ärgerlichste daran ist, dass es – zumindest in den öffentlich geführten – Auseinandersetzungen nicht darum geht, nachhaltige Lösungen zu finden, sondern darum, aus der Misere politisches Kapital zu schlagen. Das ist fatal, sowohl für das Erdklima wie für das gesellschaftliche Klima. Die Hoffnung, dass jene Frauen und Männer, die vom Volk mit politischer Verantwortung betraut worden sind, gemeinsam Lösungen suchen und Strategien entwickeln, zerschlägt sich mit jedem Tag mehr. 

 

Wenn Bundesbern primär mit sich selbst beschäftigt ist und lieber seine Profilneurosen pflegt, als das Land aus den durchaus realen Krisen zu führen, hilft vielleicht ein Blick auf die eigene Gemeinde. Dort ist der Spielraum für engagierte Menschen, etwas zu bewegen, doch noch einiges grösser. Energie Reporter ist ein Gemeinschaftsprojekt von Energie Schweiz, dem Bundesamt für Energie, WWF Schweiz und Geoimpact. Sie haben die Daten der Schweizer Gemeinden gesammelt, zum Thema Elektroautos, Heizungen und Solarstrom. Mit einem Klick können Sie sehen, wie ihre Gemeinde dasteht und sie mit anderen Gemeinden vergleichen. 

 

Sollten Sie mit Ihrer Gemeinde nicht zufrieden sein, können Sie die nächste Gemeindeversammlung nutzen, um Verbesserungsvorschläge einzubringen. Solarspar weiss aus eigener Erfahrung, dass konkrete Vorschläge, etwa zum Ausbau der Solarenergie, vielfach auf offene Ohren stossen. Ganz im Sinne von: zuhause soll beginnen, was leuchten soll … Ist jedenfalls hoffnungsvoller als die kollektive Selbstmordvariante.

Christa Dettwiler