Doppel Wumms mit Dreifach-Schraube

Bild: Andrew Martin I aitoff I Pixabay
Bild: Andrew Martin I aitoff I Pixabay

Eigentlich sollten die in Schieflage geratenen deutschen Gasimporteure mit der sogenannten Gasumlage gestützt werden. Das kam nicht gut an, die Bundesregierung nahm sie zurück und setzte zum Doppel Wumms an (der einfache Wumms war das Konjunkturpaket in der Corona-Pandemie). Dieser doppelte Wumms mit Dreifach-Schraube kostet 200 Milliarden Euro und soll für alle Deutschen bezahlbare Energiepreise garantieren. Diese halsbrecherische Akrobatik ist das Resultat einer verfehlten Energiepolitik.

«Wir befinden uns in einem Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit», tönte Finanzminister Christian Lindner in tiefem Ernst. Was er – und alle anderen – verschweigen: Der Krieg hätte gar nicht sein müssen, wenn die Politik unter Kanzlerin Angela Merkel den Ausbau der Erneuerbaren Energien ab 2007 nicht systematisch ausgebremst hätte.

 

Natürlich ist die deutsche Regierung nicht die einzige, die damals die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Auch hierzulande ächzten wir heute nicht derart unter den explodierenden Energiepreisen, wenn die Politik vor mindestens einem Jahrzehnt konsequent eine rundum erneuerbare Energieversorgung angesteuert hätte.

 

Das gängige Argument damals, diesseits und jenseits des Rheins: Erneuerbare? Viiiiiieeeel zu teuer. 2013 etwa dräute der damalige Kanzleramts- und spätere Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der Ausbau der Erneuerbaren würde bis Ende 2030 eine Billion Euro kosten, mit jährlichen Kosten von 50 Milliarden. Aus welchem Hut er diese völlig unseriösen Zahlen zauberte, ist unklar.

 

Auch in der Schweiz griff man in der bürgerlichen Ecke vorzugsweise zu diesem Totschlagargument. Unbezahlbar, die Investitionen. Die daraus gewonnene Energie ebenfalls. Im Solarspar Magazin Nr. 3 aus dem Jahr 2004 etwa klagte der Photovoltaik-Fachmann Daniel Ruoss darüber, dass die Solarförderung in der Schweiz stark rückläufig sei. Die Solarenergie falle der aktuellen Sparhysterie zum Opfer. Wie unglaublich falsch alle mit dieser Politik lagen, wird heute gern vergessen. Sie ahnen es, ein klassischer Fall von «Was kümmert mich ...».

 

Tatsache jedenfalls ist: Die Preise für Erneuerbare sind rasant gesunken, jene für Fossile und Atomare kennen nur noch eine Richtung – steil nach oben. Das Energiedesaster, das uns seit Monaten beschäftigt, können wir nicht einfach einem egomanischen Diktator in die Schuhe schieben, der, nebst Tod und Zerstörung in der Ukraine zu säen, die europäischen Puppen tanzen lässt. Es ist auch unsere eigene Schuld. 

 

Die Universität Oxford hat in einer neuen Studie dargelegt, wie das so ist mit dem Geld. Ihr Fazit: Würde die Welt bis 2050 komplett aus fossilen Energieträgern aussteigen, könnte sie bis zu 15 Billionen US-Dollar einsparen. «Die Kosten für erneuerbare Energien sind seit Jahrzehnten im Sinkflug. In vielen Situationen sind sie bereits billiger als fossile Brennstoffe.» Je schneller der Umstieg, desto grösser die Einsparungen. 

 

Auch die Autorinnen der Studie haben klar festgestellt, dass in der Vergangenheit die Kosten grüner Technologien selbst von Analysten und Fachleuten viel zu hoch eingeschätzt worden sind. Die tatsächlichen Kosten für Solarenergie seien doppelt so schnell gefallen, wie selbst die ehrgeizigsten Prognosen vorhergesehen hätten, schreiben die Autoren. Und heute schon sei Sonnenenergie in Dutzenden Ländern die billigste Energie am Markt.

«Die Kombination aus exponentiell sinkenden Kosten und raschem, exponentiell steigendem Einsatz ist anders als alles, was in der Vergangenheit bei anderen Energietechnologien beobachtet wurde, und versetzt grüne Schlüsseltechnologien in die Lage, die Vorherrschaft der fossilen Brennstoffe innerhalb eines Jahrzehnts herauszufordern», schreiben sie weiter.

 

Dabei zeigten die verschiedenen Modelle, dass sich erneuerbare Energien gar nicht auf die Klimawandelargumentation verlassen müssten. Allein die Kräfte des Marktes würden überdeutlich für saubere Energieträger sprechen. Die Argumente für Erneuerbare waren im Übrigen auch schon Anfang der 2000er Jahre bestens bekannt. Für den Doppel Wumms mit Dreifach-Schraube erhält die Politik demzufolge keinen einzigen Punkt.

Christa Dettwiler