Flickenteppich ist das neuste Schlagwort zum Thema Solarausbau in der Schweiz. Was seit Jahren offen zu Tage liegt, hat nun eine wissenschaftliche Studie erhärtet. Wird das etwas ändern? Die Schweiz zu einem Land mit blühender Solarwirtschaft machen? Dass der neue Energieminister Subventionen für AKWs öffentlich in Betracht zieht, lässt nichts Gutes hoffen.
Das Fazit der Studie der ETH Zürich und der Universität Bern kommt zum ernüchternden Schluss: Eine Photovoltaik-Anlage für Private lohnt sich finanziell nicht. Das heisst, man muss sie wirklich wollen. Mitglied der Energiewende zu sein, ist nach wie vor Idealisten vorbehalten. Wer nüchtern rechnet, lässt die Finger davon. Die Unterschiede, wie Energieversorgerinnen, Gemeinden und Kantone die Sonnenenergie vergüten oder fördern sind gross. 2067 Gemeinden wurden unter die Lupe genommen. In gerade einmal der Hälfte der Fälle lohnt sich die Investition für ein Einfamilienhaus mit Gasheizung.
ETH-Professor Tobias Schmidt macht zwei für die Rentabilität entscheidende Faktoren aus: Strompreis und Vergütung. Geht der Strompreis steil nach oben, lohnt sich die Energie vom eigenen Dach. Wenn dann auch noch der Einspeisetarif stimmt, ist die Rechnung schnell gemacht. Doch genau da steht eine der grössten Baustellen. Diese Tarife sind, wie so vieles in der Schweiz, von Kanton zu Kanton verschieden, von Gemeinde zu Gemeinde, von Energieversorger zu Energieversorgerin. Die Spanne ist gross. Sie bewegt sich zwischen 5 und 22 Rappen pro kWh.
Ausgerechnet jene Energieversorger, die sich gern ins grüne Mäntelchen kleiden, gehören zu den grössten Geizkrägen. Das ewz der Stadt Zürich etwa. Das allerdingst wehrt sich mit dem Argument, die Zahlen basierten auf letztem Jahr. Aktuell habe man massive Anpassungen gemacht. Dabei haben die Studienautoren durchaus auch einen Blick auf aktuelle Tarife geworfen und festgestellt, dass die private Sonnenstromproduktion in bislang rentablen Gemeinden noch rentabler und umgekehrt geworden ist. Tobias Schmidt: «Die Unterschiede werden eigentlich noch grösser.»
Kann ja sein, dass sich der Flickenteppich künftig doch noch in einen Webteppich verwandelt. Der Ständerat hat sich kürzlich für einen einheitlichen Rückliefertarif fürs ganze Land ausgesprochen.
Swissolar hat zu den Ergebnissen der ETH-Studie einen ausführlichen Kommentar abgegeben. Darin sieht sich der Dachverband in seinen jahrelangen Forderungen nach einer Harmonisierung in jeder Hinsicht bestätigt. Für einen schnellen Solarausbau, schreibt er, brauche es mehr Gleichbehandlung und Investitionssicherheit. Dringlich sei vor allem der Abbau der Ungleichbehandlung bei Abnahmevergütungen, Raumplanung und Steuerrecht. Mit einem Seitenhieb auf die vor allem von bürgerlicher Seite propagierten Solarkraftwerke in den Alpen, meint Swissolar, die schweizweite Gleichbehandlung würde den Druck reduzieren, unverbaute Berglandschaften mit Solarpanels zuzudecken.
Jedenfalls wird das Thema, mit welcher Art der Energieversorgung die Schweiz in die Zukunft marschieren will, spätestens in der Frühjahrssession des Parlaments neue Brisanz erhalten. Denn zurzeit wird der Mantelerlass zum Energiegesetz intensiv in den Kommissionen vorbereitet. Die Dekarbonisierung muss kommen, das macht nicht zuletzt der Zustand der Schweizer Skigebiete offensichtlich. Nur wie? Hochalpine Solarschwemme oder doch lieber bestehende Infrastruktur zur Energiegewinnung nutzen? Um die eigenen jahrelangen Versäumnisse zu kaschieren, haben vor allem rechtsbürgerliche Politiker ein hübsches Narrativ lanciert: Schuld am mangelhaften Ausbau der Erneuerbaren sind die Umweltverbände, die mit ihren Einsprachen alles behindern. Deshalb: Weg mit dem Einspracherecht. Eine kleine Rechnung von Energie Zukunft Schweiz zeigt ein ganz anderes Bild: Würden etwa bestehende Parkplätze mit Photovoltaik bedeckt, bestünde ein Potenzial von 10’000 Megawatt. Das alpine Solarprojekt in Gondo würde gerade einmal 18 Megawatt zum Stromverbrauch beisteuern.
Es ist geradezu perfide, Landschaftsschutz gegen Energieproduktion auszuspielen. Doch um die eigenen Fehler der Vergangenheit zu bemänteln, scheint – auch dem Energieminister Rösti – jedes Argument recht. Jedenfalls stand er kürzlich am Stromkongress im Berner Kursaal ziemlich allein im Abseits, als er verlauten liess, Subventionen für den verlängerten Betrieb von AKW prüfen zu wollen.
Christa Dettwiler
Die erwartet Rendite einer Solaranlage für ein Einfamilienhaus mit Gasheizung in Schweizer Gemeinden und Städten
Je heller die Gemeinden, desto höher die Rendite über einen Zeitraum von 30 Jahren. Gemeinden mit null oder weniger Rendite sind hellgrau. Für die dunkelgrau eingefärbten Gemeinden konnte keine Rendite berechnet werden. Die Box über der Farbscala entspricht dem Bereich der mittleren 50 Prozent der Ergebnisse. SC (self consumption) steht für den Eigenverbrauch. (Grafik: Tobias Schmidt / ETH Zürich)
Bei Mehrfamilienhäusern mit Wärmepumpe verändert sich das Bild
Die Installation einer Solaranlage auf einem Mehrfamilienhaus mit neun Bewohner:innen verteilt auf vier Wohnungen und einer Wärmepumpe rentiert in fast allen Schweizer Städten und Gemeinden. Der Median liegt bei 10,5 Prozent Rendite. Im Durchschnitt werden 63 Prozent des erzeugten Solarstroms selbst verbraucht. (Grafik: Tobias Schmidt / ETH Zürich)