Partikularinteressen machen Politik

Bild: klimaschutzgesetz.ch
Bild: klimaschutzgesetz.ch

Vielleicht ist er auch in Ihrem Briefkasten aufgetaucht, der ominöse Flyer gegen das Klimaschutzgesetz. Wenn es nicht so himmeltraurig wäre, könnte man getrost darüber lachen. Der Mensch sei jedenfalls nicht verantwortlich dafür, dass das Klima aus dem Lot gerät. Und überhaupt, aus dem Lot ist nämlich gar nichts, ganz im Gegenteil. Wenn sich die Erde erwärmt, wachsen die Pflanzen ganz einfach besser. Nun gut, das dürften etwa die Reisbauern in der Po-Ebene oder andernorts, wo sich Dürren und Fluten abwechseln, anders sehen.

Deshalb wird nun das zur Abstimmung stehende Klimaschutzgesetz mit einer Vehemenz bekämpft, die doch etwas erstaunt. Ganz im Tonfall der SVP heisst es da, dieses Gesetz sei in Wahrheit ein Verbots- und Verhinderungsgesetz, als Schuldige werden etwas diffus «amerikanische Milliardäre» ausgemacht. Wie gesagt, man könnte sich totlachen ob solchem Unsinn, wenn er denn nicht doch bei etlichen Menschen Verunsicherung auslöste. Und das ist für Abstimmungen fatal.

 

Die Absender dieses Unsinnes bleiben im Dunkeln. Allerdings hat sich der Tages-Anzeiger die Mühe gemacht, den Vorhang zu lüften. Hinter dem Komitee «Rettung Werkplatz Schweiz» steht – wen wundert's – ein strammes SVP-Mitglied, der ehemalige Präsident der SVP Stäfa. Wer die Aktion finanziert, lässt sich nicht zurückverfolgen. Es seien viele, heisst es lakonisch, die den Versand, der eine runde Million Franken kosten dürfte, bezahlten. 

 

Ins gleiche Horn bläst auch eine weit besser bekannte Organisation, der Hauseigentümerverband (HE) nämlich. Auch der weibelt unermüdlich gegen den Klimaschutz, und zwar in Farbe, Form und Tonalität, die kaum von SVP-Publikationen zu unterscheiden sind. Das hat letztlich – neben zahlreichen Mitgliedern – auch FDP-Ständerat Ruedi Noser den Hut gelupft. Er tritt aus mit der Begründung, der Verband sei von der SVP unterwandert. Freuen dürfte sich über diese Geschichte ein bisschen die Konkurrenz. Casafair, der nachhaltig orientierte Verband für Hausbesitzende, tritt nämlich für ein Ja zum Klimaschutzgesetz ein und verzeichnet zurzeit ein erfreuliches Mitgliederwachstum. 

 

Ruedi Noser jedenfalls ist über die undifferenzierte Haltung des äusserst einflussreichen HEV alles andere als erfreut: «Bei der Abstimmung zum Klimaschutzgesetz übernimmt der HEV die SVP-Rhetorik, die SVP-Bildsprache und die SVP-Lügen.» Das erstaunt eigentlich nicht, da dasselbe Werbebüro die Abstimmungspropaganda sowohl für die SVP wie für den HEV macht. 

 

Auch der HEV lässt sich die Chose einiges kosten. Eine halbe Million hat der Vorstand gesprochen, HEV-Sektionen haben weitere 200’000 Franken zugeschossen. Noser meint dazu: «Wer dem Verband Geld schickt, kann genauso gut der SVP Geld schicken.» Der HEV verfügt nicht nur über viel Geld, er ist auch sonst eine Macht: Er hat rund 340’000 Mitglieder. Die Jahresrechnung ist nicht öffentlich, bekannt ist jedoch, dass eine von 115 Sektionen, die grösste der Stadt Zürich, einen Jahresumsatz von 20 Millionen und ein Eigenkapital von über neun Millionen ausweist.

 

Der Tagi schreibt auch, dass der Verband in Bundesbern keine Lobby braucht, denn seine Vertreter*innen sässen gleich selbst im Parlament und vor allem auch in den Kommissionen. 13 Nationalratssitze und drei im Ständerat werden von Leuten besetzt, die als Präsident*innen oder Vorstandsmitglieder des Dachverbands oder einzelner Sektionen fungieren. «Das dürfte Schweizer Rekord sein», schreibt der Tagi. «Die HEV-Fraktion hat im Bundesparlament mehr Stimmen als die ganze Grünliberale Partei.»

 

So viel zum Thema Volksvertreter*innen, denen einzig und allein das Gemeinwohl am Herzen liegt.

 

Wie befreiend, wenn  das Volk all diesen potenten Verbänden und Interessensgruppen am 18. Juni eine rauschende Abfuhr bereitet. Also heute schon Ja zum Klimaschutzgesetz und das Couvert gleich zum gelben Kasten tragen. Danke!

Christa Dettwiler