Der Sommer war so gross

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Foto: Chris Leipelt I Unsplash

Wurde je schon so viel übers Wetter geredet und geschrieben? Es kommt einem vor, als beherrsche das Thema sämtliche Schlagzeilen. Aller Voraussicht nach werden wir uns aber auch daran gewöhnen und sagen: Vorletztes Jahr war es doch genauso schlimm. Wir werden Gründe finden, Rechtfertigungen, Erklärungen - nur um möglichst nichts ändern zu müssen. Das betrifft ganz besonders Menschen mit Moneten. Ihnen wird selten zu heiss im Luxus. Dass sie das Weltklima im Übermass belasten, kümmert sie offenbar nicht. 

Die Zahlen sprechen für sich: Die Datenbank des World Inequality Lab an der École d'Économie de Paris weist für eine Schweizer Person mit niedrigem Einkommen einen CO2-Ausstoss von neun Tonnen aus. Der Fussabdruck der reichsten ein Prozent ist da wesentlich grösser. Sie sind mit veritablen Quadratlatschen unterwegs und hinterlassen durchschnittlich 195 Tonnen CO2 pro Jahr. Zählt man alles zusammen, belasten die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung das Klima stärker als die gesamte Hälfte mit dem niedrigsten Einkommen. 

 

Vorerst werden die mit den grössten Füssen nicht zur Verantwortung gezogen. Im letzten September versuchte die Grüne Nationalrätin Natalie Imboden das zu ändern mit einer Motion für eine progressive CO2-Steuer. Denn: «Wenn die Ungleichheiten einen grossen Unterschied machen, dann muss man die Besteuerung anpassen. Das betrifft die Reichen, aber auch die Verschmutzer. Hier gibt es eine Korrelation.» Dass sich das Parlament wohl erst nach den Wahlen mit diesem interessanten Vorstoss beschäftigen will, ist wenig überraschend.

 

Dass die Schweizer mit viel Geld zu den grössten Umweltsündern Europas zählen, zeigt eine andere Statistik. Darin werden sie nur von den Luxemburgern übertroffen. Wären alle so CO2-genügsam wie die ärmsten im Lande, hätten wir das Klimaziel für 2030 bereits heute erreicht. Und doch sind wir aktuell meilenweit davon entfernt. Das kümmert die Wohlhabenden wenig. Und wohlhabend sind sie. Laut einem Bericht des Bundesrates vom Dezember letzten Jahres besitzt ein Prozent der Schweizer Bevölkerung sage und schreibe 44 Prozent des gesamten Reichtums des Landes. Da sollte es doch ein Leichtes sein, ein bisschen dieser Mittel in den Klimaschutz zu investieren. Wahrscheinlich buchen sie, um ein allfällig schlechtes Gewissen zu beruhigen, den nächsten Helikopterflug ins Tessin bei Eliteflights aus Wauwil LU, denn «Mit uns fliegen Sie 100 % klimaneutral». Die Stiftung für Konsumentenschutz mag das allerdings nicht so recht glauben und hat beim Staatssekretariat für Wirtschaft eine Beschwerde wegen unlauterem Wettbewerb eingereicht.

 

Der Lebensstil der Wohlhabenden kümmert den Bundesrat nicht. Er beantragt, die Imboden-Motion abzulehnen, denn er kann keinen direkten Zusammenhang zwischen Geld und CO2-Ausstoss erkennen. Das sieht etwa Umweltforscher Stephan Gössling von der Universität Lund in Schweden anders. Er ist der Ansicht, dass die Debatte um eine individuelle CO2-Obergrenze «dringend geführt» werden müsse. Der österreichische Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist da radikal: «Jeder Mensch kriegt drei Tonnen CO2 pro Jahr, aber wer mehr braucht, muss es sich eben einkaufen.» Und zwar von jenen, die weniger verursachen. 

 

Kann gut sein, dass angesichts der aktuellen Entwicklungen und düsteren Zukunftsprognosen das Zwangsbudget für die Belastung von Umwelt und Klima kommt. Denn freiwillig werden sich Menschen kaum ändern. Das bestätigt etwa auch die Verhaltenspsychologin Bernadette Sütterlin. Das Gehirn ist evolutionär auf ressourcenschonend und effizient getrimmt. Also lieber die Bratwurst in der Hand als das Rüebli im Regal. Der Mensch nehme die Klimaerwärmung als ein abstraktes Phänomen wahr, und mit unserem Fokus auf kurzfristigen Nutzen, falle es schwer anzuerkennen, dass wir direkt betroffen seien, sagt Sütterlin. Zudem gibt es so etwas wie die Optimismus-Verzerrung: Mich wird es bestimmt nicht treffen.

 

Das dürfte sich im Verlauf dieses grossen Sommers für die eine oder den anderen geändert haben. Auch wenn es jetzt Sturzbäche regnet. 

Christa Dettwiler