Bild: Nattanan Kanchanaprat
Anfang Jahr sagte Swissolar-Geschäftsführer Matthias Egli: "Bereits jetzt liefern Solaranlaagen im Winter beinahe so viel Strom, wie man mit dem sogenannten Solarexpress bis 2030 zusätzlich erreichen will - und das ohne alpine Anlagen." Nicht nur Dächer und Fassaden gibt es noch zuhauf, auch Autobahnen bieten grosses Potenzial. Nachdem das Bundesamt für Strassen (Astra) im letzten Sommer grünes Licht für Solarpanels an Lärmschutzwänden, Parkplatzüberdachungen oder Autobahnraststätten erteilte, werden jetzt erste Projekte ausgeschrieben.
Laut Astra-Schätzungen könnten die rund 350 Lärmschutzwände und 100 Raststätten-Projekte etwa 12 000 Haushalte mit Solarstrom versorgen. Auch die Überdachung von ganzen Autobahnabschnitten erachtet das Astra als vielversprechend. Zurzeit sind zwei kleinere Solar-Highways in Neuenhof AG und Leuzigen BE geplant. Und vielleicht plant ja Energieminister Rösti für seinen Autobahnausbau die Solarenergie gleich mit...
Warum das Parlament so sehr auf die Alpen fixiert ist, bleibt sein Geheimnis. Immerhin macht der Solarausbau an bestehenden Gebäuden erfreuliche Fortschritte. Allein im letzten Jahr sind 1 500 Megawatt dazugekommen - ein Zuwachs von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Das neue Energiegesetz, bekannt als Mantelerlass, das dem Ausbau erneuerbarer Energien neuen Schub verleihen soll, ist weit sorgfältiger vorbereitet worden als der "Solarexpress". Allerdings - so zeigt es das Referendum - geht es auch hier nicht ohne genaueres Hinsehen. Das hat die Delegiertenversammlung der Grünen, die das Gesetz im Grundatz befürworten, deutlich gemacht.
Im Übrigen, ist diese Debatte nicht nur der Schweiz vorbehalten. Weltweit sind Auseinandersetzungen im Gange zwischen jenen, die die rapide schrumpfende unberührte Umwelt bewahren, und jenen, die dem Energiehunger alles unterordnen wollen.
Das Bundesamt für Umwelt bringt es in seinem neuen Biodiversitätsbericht auf den Punkt: "Die zwei grossen globalen Risiken - der Rückgang der Biodiversität und der Klimawandel - sind eng miteinander verknüpft und verstärken sich gegenseitig." Das ist die grundsätzliche Frage, die einfach nicht gestellt wird: Auch wenn die gewonnene Energie erneuerbar und treibhausgasfrei ist, hat sie ihren Preis. Wie viel sind wir bereit, für den unersättlichen Hunger nach mehr zu bezahlen?
So legte etwa Kaspar Schuler, Geschäftsführer der Alpenschutzorganisation Cipra International, an der Delegiertenversammlung der Grünen den Finger auf den wunden Punkt: Obwohl der Mantelerlass Kraftwerke in Biotopen von nationaler Bedeutung verbietet, werden etwa Fliessgewässerbiotope massiv tangiert. Der Teufel, sagte er, liege in der Summe der Ausnahmeregelungen. So seien etwa Gletschervorfelder und alpine Auen keine "Quanité négligeable", sondern zentral für den Erhalt der Biodiversität.
Jene, die genau hinschauen bei der Energiewende, haben einen schweren Stand. Doch sie sollten ernst genommen werden. Der Mantelerlass ist ein gutes Gesetz, das aber die Verantwortlichen nicht davon entbindet, bei jedem einzelnen Projekt ganz genau hinzuschauen.
Christa Dettwiler
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