Bild: Markus Distelrath
Wie man's macht, macht man's verkehrt
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Ohrfeige für den Bundesrat. Das mit Gas betriebene Notkraftwerk, das im Herbst 2022 in aller Eile in der Aargauer Gemeinde Birr hochgezogen wurde, hat das Gericht nun für illegal befunden. Es ist sogar von einem verfassungsrechtlichen Skandal die Rede. Wie man's macht, macht man's verkehrt, wird sich der Bundesrat jetzt wohl sagen. Die sieben Frauen und Männer sind wirklich nicht zu beneiden.
Ein Blick zurück auf die damalige Stimmung im Land macht den Entscheid des Bundes zumindest nachvollziehbar. Die Lage am Energiemarkt war extrem volatil: Russlands Einfall in die Ukraine, und damit kein russisches Gas mehr, französische AKW, die aus verschiedenen Gründen reihenweise ausfielen. In der allgemeinen Hektik, die nicht nur in der Schweiz ausbrach, mussten Alternativen her. Zumal von verschiedenen Seiten wieder einmal die berüchtigte Winterstromlücke herbeigeredet worden war.
Zu den Notmassnahmen, die der Bundesrat damals in die Wege leitete, gehörte auch der Aufbau einer Wasserkraft-Reserve. Doch die genügte offenbar nicht. Also ein Notkraftwerk in Birr, das mit Gas betrieben werden sollte. Der Aufschrei unter Klimaschützerinnen war damals laut und deutlich. Mit Unterstützung des Klimastreiks ging eine Birrer Einwohnerin vors Bundesverwaltungsgericht und erhob Einsprache. Mitten in der Klimakrise neue Kraftwerke zu bauen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sei verkehrt.
Das Urteil gibt ihr recht. Der Bundesrat hätte sich nicht eigenmächtig über kantonale und kommunale Bewilligungsverfahren sowie Umweltverträglichkeitsprüfungen hinwegsetzen dürfen. Umso mehr als das Gremium anfangs November feststellte, dass die Versorgungssicherheit in jenem Winter nicht "gravierend gefährdet" sei. Zu diesem Schluss war es nach der Lektüre einer Studie im Auftrag des Bundesamtes für Energie gekommen.
Genüsslich zitiert der Tages Anzeiger die Stellungnahme des Uvek zum Urteil. Es nimmt "zur Kenntnis", dass das Gericht das "dokumentierte Tatsachenfundament" als nicht ausreichend beurteilt hat.
Auch den heurigen Winter hat die Schweiz ohne Mangellage überlebt. Sie hat sogar mehr Strom ex- als importiert. Das Bundesamt für Energie hat die neusten Marktdaten offenbar exklusiv für die NZZ am Sonntag ausgewertet. Laut diesen Daten wurden von Oktober bis Februar rund 700 Gigawattstunden Strom ins Ausland verkauft. Genügend Strom, um 175 000 Vierpersonen-Haushalte am Laufen zu halten. Zum einen war der Winter mild, wohl dank dem Klimawandel. Zum andern blieben die Stauseen gut gefüllt und die Solarenergie liefert zuverlässig immer mehr Strom ins Netz.
Obwohl verschiedene Kreise jetzt den Abriss des Notkraftwerks verlangen, wird wohl vorerst nichts passieren. Denn die Betriebsbewilligung dafür ist schon längst abgelaufen. Es wird wohl einfach als Mahnmal da stehen bleiben, und den Bundesrat daran erinnern, ein nächstes Mal ein stabileres Tatsachenfundament zu zimmern.
Christa Dettwiler
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