Der Klimawandel kommt näher

Eine der augenfälligsten Reaktionen auf diese ungewöhnlichen Zeiten ist der Rückzug. Grenzen werden geschlossen, das öffentliche Leben kommt zum Stillstand, Menschen bleiben zuhause. Die Abschottung hat in diesem Fall nachvollziehbare Gründe. Denn der winzige Erreger mit dem schönen Namen macht uns schonungslos bewusst, wie verletzlich wir trotz all unseres Wissens sind. 

Anstatt Wahrscheinlichkeiten hätten wir lieber Fakten. Wissenschaftliche Fakten, die uns die Wissenschaft aber gerade jetzt nicht liefern kann. Dennoch ist die grosse Mehrheit offensichtlich bereit, sich an die Vorgaben der Regierungen zu halten, um ein ebenso offensichtliches Risiko zu minimieren.

 

Zum Thema Klimawandel gibt es dagegen jede Menge Fakten. Obwohl auch dieses Thema extrem komplex ist und zahllose Faktoren mit hineinspielen. Aber kauft jemand angesichts des sich verändernden Klimas zusätzliches Klopapier?

 

Noch nicht, möchte man sagen. Denn der Klimawandel kommt näher. Eigentlich ist er schon da. 

 

Der deutsche Wetterdienst (DWD) hat letzte Woche erstmals Klimavorhersagen für die nächsten zehn Jahre berechnet. Und die Prognosen sind nicht gut. Um 1 bis 1,5 Grad soll schon dieses Jahr wärmer werden, verglichen mit dem Mittel der Referenzperiode 1981 bis 2010. Ab 2025 sagen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Schnitt 1,5 bis 2 Grad wärmere Temperaturen voraus. Wenigsten soll der Niederschlag heuer noch im Durchschnitt liegen, in den kommenden fünf Jahren allerdings dürfte es um Einiges trockener werden. 

 

Der Präsident des DWD und der Weltorganisation für Meteorologie, Gerhard Adrian, fand deutliche Worte: «Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels so umfassend messen, beobachten und wissenschaftlich analysieren kann. Dieses Wissen ist in der Welt und lässt sich nicht mehr unter den Tisch kehren.»

 

Wir reden hier nicht von irgendwann in der Zukunft. Wir reden von jetzt. Die Corona-Krise beweist, dass rasches und entschlossenes Handeln möglich ist. Die Schweizer Regierung zeigt sich in diesen aussergewöhnlichen Zeiten beeindruckend stark, klar und entscheidungsfähig. Niemand sagt, die anderen sollen zuerst einmal ... Man nimmt jede und jeden Einzelnen in die Verantwortung, um die ganze Bevölkerung zu schützen.

 

Zum Klimawandel haben wir die Fakten. Die Wahrscheinlichkeiten schmelzen dahin wie Gletschereis. Wie wunderbar wäre es doch, wenn wir aus diesen aussergewöhnlichen Zeiten lernten.  

 

Christa Dettwiler