Der Startschuss für die Öko-Bewegungen fiel vor 50 Jahren. 1972 zeigte der Club of Rome der Welt «Die Grenzen des Wachstums» auf. Das Fazit: Wenn sich die globale Wirtschaftsweise nicht ändere, würden Umwelt, Ökonomie und Lebensqualität im 21. Jahrhundert zusammenbrechen. Jetzt meldet sich die weltweite Vereinigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erneut zu Wort. Weil ihre Warnungen bekanntermassen ungehört verhallten, kommt der neue Bericht als «Überlebensratgeber» daher.
Es geht gar nicht mehr darum, das Paradies, in dem sich eine Menschheit entwickeln konnte, sorgsam zu hegen und zu pflegen. Der Club of Rome zeigt nur noch auf, wie man in dem Chaos, das wir angerichtet haben, mit dem Leben davonkommen.
Jørgen Randers, der schon am ersten Bericht mitgearbeitet hat, macht sich keine Illusionen: «Innerhalb der nächsten 50 Jahre wird das derzeitige Wirtschaftssystem soziale Spannungen verstärken und den Wohlstand verringern.» Was das für Konsequenzen hat, ist in all den Kinofilmen zu sehen, die genüsslich Szenarien künftiger Dystopien auf der Leinwand ausbreiten. Nur sitzen wir dann nicht in einem bequemen Kinosessel und lassen uns begruseln, wir werden mitten drin stecken.
Nur gerade 100 Jahre geben die Forschenden der Erde noch, bevor es zu einem ökonomischen und ökologischen Kollaps kommen könnte. Wir verbrauchen ganz einfach zu viele Ressourcen und produzieren zu viel Mist. Die Autor:innen verbreiten aber nicht nur Hoffnungslosigkeit, sie schlagen auch «fünf ausserordentliche Kehrtwenden für globale Gerechtigkeit auf einem gesunden Planeten» vor. Deshalb soll der Bericht bei aller Schonungslosigkeit auch ein Mittel gegen die Verzweiflung sein.
Dennoch ist zu befürchten, dass diese Kehrtwenden vom «Winner take all»-Kapitalismus zu Earth4All-Ökonomien genauso ungehört verhallen werden, wie die Warnungen vor 50 Jahren. Vielleicht aber bieten sich da auch einmalige Chancen – etwa für die Solarbranche, die eine Rolle als Wegbereiterin übernehmen könnte.
Sie ist aktuell damit konfrontiert, dass ihr Geschäft boomt. Sollte das Parlament der Ständeratskommission folgen, die dieser Tage ein Photovoltaik-Obligatorium auf Neubauten vorgeschlagen hat, wird der Boom zur Explosion. Wären da nicht gravierende Lieferschwierigkeiten und zu wenig Fachpersonal, kämen Solaranlagenbauer:innen aus dem Strahlen nicht mehr heraus.
Denn auch in dieser Branche rächt sich heute, was vor Jahren für eine geniale Idee gehalten wurde: Dort produzieren zu lassen, wo es am billigsten ist. In China. Die Covid-Pandemie hat die Lieferketten zerrissen. Der Krieg in der Ukraine hat die Energieflüsse aus Russland zum Versiegen gebracht. Die einst so hochgelobte globalisierte Wirtschaft enthüllt nun ihre Schwächen. Die Grenzen des Wachstums eben.
Kommt dazu, dass die extrem zögerliche Haltung der Politik in Sachen erneuerbarer Energien den Aufbau einer einheimischen Solarbranche über Jahrzehnte blockiert und unterminiert hat. Und jetzt, da es hopp hopp gehen sollte, treten diese Versäumnisse brutal zu Tage. Schon im Frühjahr dieses Jahres warnte ein Schweizer Anlagenbauer: «Die Abhängigkeit von Solarmodulen aus Asien ist fast höher als bei Erdölprodukten aus anderen Ländern.»
Die Firma Megasol Energie aus Deitingen lässt ebenfalls in China produzieren, allerdings in einem eigenen Werk. Und Meyer Burger, ein Pionier im PV-Anlagenbau will die Produktion zurückholen. Dafür hat das Unternehmen im letzten Jahr ein Werk in Deutschland aufgebaut. David Stickelberger, Geschäftsführer von Swissolar, fordert längst schon eine neue Industriepolitik, eine Standortförderung, um eine einheimische Solarbranche zu etablieren.
Nur: Sobald das Wort «Förderung» fällt, sträubt sich das bürgerliche Haar. Vollends zu Berge stehen wird es bei einer der Forderungen des Club of Rome: der grossen Umverteilung. «Die Reichen müssen die Rechnung zahlen», sagt Jørgen Randers unverblümt. Damit sind jene zehn Prozent der Bevölkerung gemeint, die global etwa die Hälfte aller Einkommen auf sich vereinen. Die bislang Unantastbaren also.
Christa Dettwiler
Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten, Oekom Verlag, 256 Seiten, ISBN 978-3-96238-387-9.