Versorgung und Sicherheit

Bild: Federico Beccari I Unsplash
Bild: Federico Beccari I Unsplash

Die Sonne wird wohl für eine ganze Weile nicht mehr untergehen über dem Bundeshaus. Die Debatten werden hitzig, die Köpfe rauchen. Der Mantelerlass über den Ausbau der erneuerbaren Energien steht zur Debatte. Auf der einen Seite sitzen jene, die neue Atomkraftwerke «vereinfacht» bauen wollen, in der Mitte plant der Bundesrat fossile Reservekraftwerke, auf der anderen Seite fordern vor allem die Grünen eine verschärfte Solarpflicht. Neue Studien werden die Diskussionen befeuern und jenen, die ganz privat auf die Sonne setzen wollen, aufzeigen, ob sich das auch finanziell lohnen kann.

Immerhin hat der Nationalrat letzte Woche in seiner ganzen Weisheit die Altersbeihilfe für den Weiterbetrieb der Schweizer Reaktoren vorerst begraben. Aber die Vorstellungen über die Ausgestaltung der Schweizer Energieversorgung gehen nach wie vor weit auseinander. Eine neue Studie der ETH dürfte die Diskussionen eher noch anheizen. Denn wenn es um Energie geht, geht es oft auch um Glauben. Fakten spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Auch wenn die ETH-Studie klar und deutlich sagt, die Schweiz könne sich auch im Winter sicher mit erneuerbarer Energie versorgen, und erst noch billiger als auf dem geplanten Weg, wird das nicht alle überzeugen. 

 

Denn: Auftraggeber der Studie sind das Solarunternehmen Helion, der Dachverband Swissolar und der GLP-Nationalrat Jürg Grossen. Schon diese Tatsache dürfte gewissen Parlamentariern reichen, um die Resultate pauschal vom Tisch zu wischen. Die drei Auftraggeberinnen haben eigene Szenarien errechnet, die sie vom Energy Science Center der ETH überprüfen liessen. 

 

Grundpfeiler der Energieversorgung wäre der starke Ausbau der Solarenergie. Bis 2050 soll die Sonne die Hälfte des Stroms liefern. Das ist ein äusserst sportliches Ziel, liegt der Prozentsatz heute doch bei knapp acht Prozent. Helion setzt vor allem auf Anlagen auf bestehender Infrastruktur und auf stationäre Speicher, darunter auch E-Autos. Swissolar erwägt eine «massvolle Nutzung» von alpinen Flächen. Jürg Grossen – auch Präsident von Swissolar – sieht das Heil eher in einer hohen Wasserstoffproduktion in der Schweiz. 

 

Alle drei Modelle, so die Forschenden, können Strom günstiger produzieren, als das Referenzszenario der Energieperspektiven 2050+ des Bundesamtes für Energie. Warum das wichtig ist? Die Elektrifizierung von Verkehr und Heizungen werden den Strombedarf markant erhöhen – und damit auch die Stromrechnungen. Zudem wird massiv Geld gespart, wenn kaum mehr Heizöl und Benzin eingeführt werden müssen. Bis 2050 könnte das bis zu 52 Milliarden Franken ausmachen. 

 

Bei der Winterstromlücke haben die Expertinnen ganz genau hingesehen. Der massive Solarausbau sichert den Strombedarf im Winter nicht vollständig. Noch müssten rund 10 Prozent des Winterverbrauchs importiert werden. Steigen würde der Importbedarf jedoch nicht, selbst ohne alpine Anlagen. Und es wäre immer noch dreimal weniger als die Energieperspektiven vorsehen. 

 

Selbstverständlich bleiben auch mit dieser Studie noch etliche Fragen offen. Dennoch liefert sie neue Argumente für längst geforderte Strategien. 

 

Für all jene, die auf eigene Faust mit dem Solarausbau vorwärtsmachen wollen, liefert ebenfalls eine Studie der ETH und der Uni Bern interessante Infos. Immerhin verfügen Ein- und Mehrfamilienhäuser über 42 Prozent aller Dachflächen. Da gibt es also noch allerhand Potenzial. Die Studie hat untersucht, in welchen Fällen sich der Bau eines privaten Sonnenkraftwerks auch direkt finanziell lohnt – und kommt zu ziemlich ernüchternden Zahlen: Es sind nur knapp die Hälfte. 

 

Entscheidend ist, wen wundert's, der Einspeisetarif. Und zur Zeit wechselt der beinahe täglich. Etwa so wie jener der CKW, die mit Spitzenpreisen Kundinnen aus der ganzen Schweiz abwarb, um nur Wochen später die Tarife wieder abzusenken. Argument: Marktpreis. Ein schweizweiter Einheitstarif, wie ihn Solarfachleute schon längst fordern, ist nicht in Sicht. Fast alle 630 Energieversorger haben ihre eigene Preisgestaltung. Studienautor Tobias Schmidt meint denn auch: «Solange es keinen garantierten Mindesttarif gibt, der über 15 bis 20 Jahre gilt, gibt es keine Investitionssicherheit für private PV-Produzenten.»

 

Das Thema soll diese Woche auch im Nationalrat behandelt werden. Einfach ist es nicht, einen Mindesttarif festzulegen, zu unterschiedlich sind die verschiedenen Fördertöpfe, Steuergestaltung, etc. in Kantonen und Gemeinden. Auch hier fällt das Wort Flickenteppich wieder. Wenn der Tarif zu tief angesetzt wird, bleibt die private Solaroffensive mit Sicherheit aus. Und es werden, so wie seit Jahrzehnten, nur jene Leute auf ein eigenes Sonnenkraftwerk setzen, die das aus purer Überzeugung tun. Und sie werden den Strom vorwiegend selbst verbrauchen und damit auch wenig zur gross angekündigten Solaroffensive beitragen. 

Christa Dettwiler