«Es geht einfach viel zu langsam.»

Markus Chrétien hat die Geschicke von Solarspar 22 Jahre lang geleitet. Aus der Genossenschaft ist ein Verein geworden, aus der Basisbewegung eine professionelle Organisation. Per 31. Oktober verabschiedet er sich in die Frühpension. Zum Abschied hat er dem Klima-Blog ein paar Fragen beantwortet.


Seit vielen Jahren beschäftigst du dich mit Sonnenenergie. Bist du von ihrer Entwicklung überrascht oder enttäuscht?
Ich glaube jeder, der sich wie ich seit mehr als zwei Jahrzehnten – davon allein 22 Jahre bei Solarspar – mit Sonnenenergie beschäftigt, leidet darunter, dass alles so unglaublich lange dauert. Schon sehr früh hatte ich verschiedene solarbetriebene Geräte, weil mich die Tatsache fasziniert hat, dass sich aus Sonnenlicht Strom generieren lässt. Von Enttäuschung möchte ich nicht sprechen. Aber eben, der Ausbau dieser grossartigen Energiequelle geht ganz einfach zu langsam voran.

Was war dein erster Gedanke, als du das Endresultat der Parlamentswahlen gesehen hast?
Nun ja, eine Überraschung war das nicht. Es musste ja so weit kommen. Zwar betonen die meisten Leute, wie sehr sie erneuerbare Energien begrüssen – aber eben nicht vor oder hinter dem eigenen Haus. Der Widerstand gegen Windturbinen ist gross, die Pflicht für Solarenergie auf Neubauten viel zu lasch. Dafür sind jetzt Grossanlagen auf dem freien Feld der grosse Hype. Aber ich meine, wenn überhaupt, sollten diese erst dann gebaut werden, wenn alle geeigneten Dächer mit Sonnenkraftwerken gedeckt sind. Ich gebe zu, dass sind keine einfachen Themen. Deshalb ist es vielleicht einfacher, für die SVP zu stimmen und eine Begrenzung der Einwanderung zu fordern.

Wenn du drei Wünsche bezüglich Energieversorgung frei hättest, was wären die?
Ich wünsche mir eine Energieversorgung, die keinen Abfall hinterlässt. Eine nachhaltige Energieversorgung, die nicht vom Ausland abhängig ist. Und vor allem, dass wir endlich lernen, mit der Energie – einem überaus wertvollen Gut – sparsamer umzugehen. Getreu dem Motto von Solarspar: Energie sparen, den Rest mit der Sonne produzieren.

Was hat dich in all deinen Jahren bei Solarspar am meisten gefreut? Was am meisten Nerven gekostet?
Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass die Freude an der Arbeit und an den vielfältigen Aufgaben weit überwogen hat. Nerven gekostet hat mich, ich wiederhole mich hier, die Langsamkeit. Die Jahre, die es gedauert hat, bis Photovoltaik endlich salonfähig geworden ist. Wir haben wertvolle Zeit verloren, obwohl die Klimakrise ebenfalls seit Jahrzehnten ein Thema ist, vor allem für jene, die auch zuhören wollen.

Solarspar unterstützt seit jeher Projekte im Süden? Gibt es da eines, das dir besonders am Herzen lag?
Unser Verein hat zahlreiche tolle und auch wichtige Projekte unterstützt. Ich fand es immer extrem sinnvoll, Menschen mit dieser Technologie vertraut zu machen, die Sonne im Überfluss abkriegen, aber weder die Ressourcen noch das Know-how haben, sie zu nutzen. Vor allem Projekte, die die lokale Bevölkerung letztlich selbst weiter betreiben kann. Selbst war ich zwei Mal in Madagaskar, wo ich ein Partnerprojekt mit ADES (Association pour le Développement de l'Energie Solaire Suisse) besuchte. Das war wirklich faszinierend, aber auch sehr ernüchternd. Vor allem, was dort mit dem lokalen Wald geschehen ist.

An den Mitgliederversammlungen hast du viele Solarspar Mitglieder persönlich kennen gelernt. Gibt es etwas, das sie alle gemeinsam haben?
Eine Gemeinsamkeit ist das Interesse und die Offenheit der Solarspar Mitglieder. Ich habe gerne das Gespräch gesucht und festgestellt, dass unsere Mitglieder sehr gut informiert sind und ihnen die Entwicklung der Solarenergie wirklich wichtig ist. Auch ihre grossen Sorgen um den Klimawandel ist ihnen gemeinsam.

Auf welches Solarsparprojekt in der Schweiz bist du besonders stolz? Welches war das Spannendste?
Mein Lieblingsprojekt ist jenes von Disentis, wo wir eine PV-Anlage auf dem Klosterstall installiert haben.  Die offene Freundschaft mit dem Abt und den Bewohnern des Klosters war beeindruckend. Die Klostergemeinschaft nimmt einem so, wie man ist. Nur schon diese Erfahrung ergäbe eine wunderbare eigene Geschichte. Das spannendste Projekt war sicher das bis heute grösste von Solarspar, das Sonnenkraftwerk Kügeliloo auf dem Requisitengebäude des Zürcher Opernhauses.

Wenn du jetzt mehr freie Zeit zur Verfügung hast, wirst du regelmässig an den Solarrennen in Australien teilnehmen?
Zurzeit ist die World Solar Challenge wieder in Australien unterwegs. Dabei ist auch ein Schweizer Team. Ich verfolge das mit einem Auge. Offenbar besteht das Schweizer Team aus 40 Leuten. Aber ich werde nicht mehr teilnehmen. Das Fliegen stimmt für mich nicht mehr.